Rechtsnormen: §§ 4 Nr. 11, 5 UWG; § 1 ZHG; Art. 12 GG

Mit Urteil vom 01.03.2012 (Az. 6 U 264/10) hat das OLG Frankfurt a.M. entschieden, dass Zahnbleaching und Zahnreinigung mit einem Wasserpulverstrahl (Airflow) als Ausübung der Zahnheilkunde grundsätzlich approbierten Zahnärzten vorbehalten ist. Das gilt auch für eine berufserfahrene zahnmedizinische Fachassistentin, die diese Tätigkeiten unter der Aufsicht des Zahnarztes in dessen Praxis ausüben darf, wenn sie solche Behandlungsleistungen selbstständig und insbesondere ohne Zusammenwirken mit einem Zahnarzt in einem von ihr betriebenen Zahnstudio zu erbringen anbietet.

Zum Sachverhalt:

Eine ausgebildete zahnmedizinische Fachassistentin betreibt neben ihrer Tätigkeit als Angestellte einer Zahnarztpraxis ein eigenes Zahnkostemtik-Studio. Dort bietet sie unter anderem eine professionelle Zahnreinigung, das heißt die Beseitigung jedenfalls supragingivaler Ablagerungen auf den Zähnen mittels Airflow, und ein Bleaching unter Verwendung des Präparats A mit einem Wasserstoffperoxidgehalt von mehr als 6% als selbstständige gewerbliche Tätigkeit an. Die Klägerin, die Berufsvertretung der regionalen Zahnärzte, betrachtet diese Tätigkeit als Ausübung der Zahnheilkunde. Da dies jedoch approbierten Zahnärzten vorbehalten sei, verstoße die Beklagte mit den in ihrem Zahnkosmetikstudio angebotenen Dienstleistungen gegen § 4 Nr. 11 UWG iVm dem Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG). Im Übrigen handele sie iSv § 5 UWG irreführend.

Das OLG Frankfurt a.M. folgt nun der Ansicht des klagenden Verbandes und verurteilt die Beklagte zur Unterlassung der vorgenannten Tätigkeiten ohne zahnärztliche Aufsicht.

Nach Ansicht des Gerichts seien sowohl die Zahnreinigung mittels Wasserpulverstrahlgeräts als auch das Zahnbleaching als Ausübung der Zahnheilkunde iSv § 1 Abs. 3 ZHG anzusehen. Somit stünden sie unter dem Vorbehalt der zahnmedizinischen Approbation aus § 1 Abs. 1 ZHG.

Das Gericht führt aus:

„Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 3 ZHG umfasst die Ausübung der Zahnheilkunde die auf zahnärztlich wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Dabei schließt der Begriff der Krankheit nach Satz 2 dieser Vorschrift jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlen von Zähnen ein. Unter diesen weit gefassten Begriff der Ausübung der Zahnheilkunde fallen auch die beanstandeten Tätigkeiten. Bleaching dient der Aufhellung von Zähnen und damit – zumindest auch – der Beseitigung von Verfärbungen. Zahnverfärbungen wiederum sind unabhängig von ihrer Ursache (Konsumverhalten wie Tabak-, Alkohol oder Kaffeegenuss einerseits oder krankhafte Verfärbungen andererseits; zu den verschiedenen Arten von Verfärbungen, die einer Zahnbleichung mit wasserstoffperoxidhaltigen Präparaten zugänglich sind vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 02.01.2008 – 9 S 2089/06 – PharmaR 2008, 285, juris-Tz 3 – 7) als abweichende Erscheinungen im Bereich der Zähne und damit als Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 ZHG anzusehen. (…) Aus denselben Erwägungen folgt, dass auch die mit dem Antrag zu 2. beanstandete selbstständige Zahnreinigung mittels eines Wasserpulvergeräts als Ausübung der Zahnheilkunde im Sinne von § 1 Abs. 3 ZHG anzusehen ist. Ablagerungen auf den Zähnen, wie sie die Beklagte behandelt (vgl. vorher/nachher Darstellung Internet, Anlage K 4) sind – ebenso wie die Verfärbungen der Zähne – als Normabweichung und damit als Krankheit anzusehen. Dabei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen sub- und supragingivalen Belägen. Denn § 1 Abs. 5 ZHG spricht ausdrücklich von dem Entfernen von weichen und hartensowieklinisch erreichbaren subgingivalen Belägen [Hervorhebung diesseits], so dass das Entfernen von Zahnbelägen nach der Systematik des Gesetzes unabhängig davon als Ausübung der Zahnheilkunde anzusehen ist, ob diese oberhalb oder unterhalb der Zahnfleischkante liegen. Angesichts dessen kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, sie behandele lediglich supragingivale Ablagerungen. (…) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZHG darf Zahnheilkunde nur von approbierten Zahnärztinnen und Zahnärzten ausgeübt werden. Als ausgebildete Zahnarzthelferin mit einer Zusatzausbildung zur zahnmedizinischen Fachassistentin erfüllt die Beklagte diese Anforderungen nicht. Auch im Falle des erfolgreichen Abschlusses ihrer (weiteren) Zusatzausbildung Dentalhygienikerin (DH) – die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings ohnehin unbeachtlich ist, da sie diese Qualifikation noch nicht hat – könnte sie die Approbation zur Zahnärztin nicht erlangen. Nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 ZHG ist es ihr daher grundsätzlich verwehrt, Bleaching und Zahnreinigungen selbstständig, das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, vorzunehmen. Dies gilt – da das Gesetz über Ausübung der Zahnheilkunde den approbierten Zahnarzt als einzige Qualifikationsstufe anerkennt – ungeachtet der von der Beklagten persönlich durch ihre Ausbildungen und ihrer langjährigen Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten. (…) Die Beklagte wird durch den Approbationsvorbehalt grundsätzlich auch nicht in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Danach haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind deshalb nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, so zuletzt in Beschl. v. 07.03.2012 – 1 BvR 1209/11 – juris-Tz 17, m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. (…) Diese Risiken und Gefahren erfordern die Beteiligung eines ausgebildeten Mediziners am Bleaching sowie der Zahnreinigung mittels Airflow, wenigstens insoweit, als es vor der Behandlung einer fachkundigen Beurteilung bedarf, ob bei dem zu behandelnden Patienten besondere Risiken bestehen, die eine solche Behandlung entweder gänzlich ausschließen oder eine intensive Überwachung durch eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt erfordern. Das Approbationserfordernis des § 1 Abs. 1 ZHG verletzt die Beklagte daher jedenfalls insoweit nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG, als es ihr verbietet, die in Rede stehenden Behandlungsmethoden ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt anzuwenden; dies hat die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit getan.“