Rechtsnormen: §§ 19, 20 GWB

Mit Urteil vom 04.05.2010 (Az. 11 U 70/09 (Kart)) hat das OLG Frankfurt a.M. entschieden:

Die Trägergesellschaft der documenta in Kassel handelt nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund im Sinne der §§ 19, 20 GWB, wenn sie kommerziellen Veranstaltern von Bildungsreisen untersagt, mit deren Reiseleitern eigene Führungen von Reisegruppen durch die documenta-Ausstellungen durchzuführen. (Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Als Trägerin der documenta-Ausstellungen bietet die Beklagte selbst gegen Entgelt Führungen an und untersagt anderen kommerziellen Anbietern eigene Führungen. Lediglich nicht-kommerziellen Anbietern gestattet sie eigene Führungen. Nun klagte eine Veranstalterin von Bildungsreisen, die ihren Kunden eigene Führungen der documenta anbieten möchte. Sie sieht sich durch das Verbot unbillig an einer Teilnahme am Markt gehindert und durch ein marktbeherrschendes Unternehmen diskriminiert.

Das OLG Frankfurt bestätigt nun das Urteil der Vorinstanz (LG Kassel, Urt. v. 07.11.2008, Az. 12 O 4157/07, Leitsatz: Die Nichtzulassung kommerzieller Führungen Dritter durch den Veranstalter einer Kunstausstellung ist weder unlauter iSd §§ 3, 4 UWG noch begründet diese eine Diskriminierung oder einen Marktmissbrauch iSd §§ 19, 20 GWB, sofern sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist und insbesondere der Wahrnehmung eigener berechtigter und gesetzlich geschützter Interessen des Veranstalters dient.) und wies die Klage nun ab: Obwohl das Angebot, Führungen durch die documenta durchzuführen, als selbstständige gewerbliche Leistung auf einem eigenen Markt anzusehen sei und die Beklagte im Wege ihrer Kontrolle über die Zugangsberechtigung auch marktbeherrschend sei, müsse diese Untersagung im konkreten Fall als sachlich gerechtfertigt angesehen werden. Es überwiege das Recht der Veranstalterin durch Einnahmen aus eigenen Führungen, die Kosten der Ausstellung decken zu wollen gegenüber einem Interesse der Klägerin an Teilnahme am Markt. Durch das alleinige Ausstellungsvermarktungsrecht der Beklagten ergebe sich ein Recht, Wettbewerber auszuschließen. Darüberhinaus sei bei der gerichtlichen Beurteilung zu berücksichtigen, dass erst durch die Beklagte ein Markt eröffnet wurde. Abschließend stellt das Gericht fest, dass eine von der Beklagten durchgeführte Unterscheidung zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Anbietern nicht willkürlich erfolgt und damit auch zulässig sei: „Ähnlich wie der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts, soweit es nicht um den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen geht, grundsätzlich frei ist, mit wem er einen Lizenzvertrag schließt, bleibt es der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten vorbehalten, wem sie Gruppenführungen durch die documenta-Ausstellungen gestattet. Es deutet auch nicht auf ein willkürliches Verhalten hin, dass die Beklagte Gruppenführungen durch die documenta-Ausstellungen von nicht kommerziellen Einrichtungen zugelassen hat.“

Kommentar:

Hinsichtlich einer Abwägung zur sachlichen Rechtfertigung stellen die Frankfurter Richter zugunsten der Branche auf wirtschaftliche Aspekte ab. So sei die Rechtsausübung zur Vermarktung einer eigenen Veranstaltung sowie die Kostendeckung durch zusätzliche Angebote ein abwägungsfähiges und hier überwiegendes Interesse, auch wenn dies unter Ausschluss möglicher Wettbewerber erfolge. Auch zukünftig werden Veranstalter vor einer Entscheidung eine überlegte Abwägung zwischen eigenen Interessen und den Interessen Dritter tätigen müssen. Dieses Urteil, insbesondere aufgrund des erklärten Einzelfallcharakters, kann noch keine Rechtssicherheit gewähren. Eine höchstrichterliche Entscheidung lässt noch auf sich warten.