Rechtsnormen: § 263 Abs.1, Abs. 3 S. 2, Nrn. 1, 2; § 25 Abs. 2; § 53 StGB; § 123 Abs. 1 BGB; § 1 Abs.6 S. 2 PAngV

Mit Beschluss vom 17.12.2010 (Az. 1 Ws 29/09) hat das OLG Frankfurt am Main entschieden, dass Abo-Fallen als gewerbsmäßiger Betrug einzustufen sind.

Hierzu legt das Gericht folgende Maßstäbe fest:

1. Hinsichtlich der Frage, ob die Gestaltung der Seite auf eine Täuschung angelegt ist, ist allein darauf abzustellen, welches Bild sich dem durchschnittlichen Internetnutzer bietet.

2. Ein hinreichend deutlicher Hinweis auf eine Kostenpflichtigkeit des Angebots ist nur dann gegeben, wenn die Information für den Nutzer bereits bei Aufruf der Seite erkennbar ist. Zudem müssen diese Informationen in einem örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben, die sich auf die angebotene Leistung direkt beziehen, stehen.

Zum Sachverhalt:

Den Beschuldigten wird zur Last gelegt, kostenpflichtige Websites betrieben zu haben, deren Layout durch seine Gestaltung die Kostenpflichtigkeit und den Umstand, dass eine Nutzung den Abschluss eines drei- bis sechsmonatigen Abonnements zu Preisen bis zu 59,95 EUR nach sich zieht, in den Hintergrund treten lasse. Gegenstand der Websites waren Routenplaner, Gedichte-, Vorlagen-, Grafik- und Grußkartenarchive, Spieledatenbanken, Rezepte- und Tattooarchive, Rätsel- und Hausaufgabenangebote, ein Gehaltsrechner und Informationsangebote. Sämtliche Websites wiesen ein nahezu identisches Layout auf. Bei Seitenaufruf erschien zunächst eine Seite mit einer Anmeldemaske, über der sich ein Button befand, in dem Hinweise auf die angebotene Leistung sowie die Gewinnmöglichkeit im Rahmen eines Gewinnspieles enthalten waren. Unter diesem Button befand sich ein Schriftzug, der den Hinweis enthielt, dass nach erfolgter Anmeldung die angebotene Leistung der Website in Anspruch genommen werden könne und die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Gewinnspiel bestehe. Darunter befand sich die sog. Anmeldemaske, die mit den Worten „Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus!*“ überschrieben war. Einzugeben waren neben einer E-Mail-Adresse die wesentlichen persönlichen Daten des Nutzers (Vor- und Nachname, vollständige Anschrift, Land und Geburtsdatum). Unterhalb der Anmeldemaske befanden sich zwei Akzeptanzkästchen für die Nutzer, wobei man mit einem ersten Häkchen die Akzeptanz hinsichtlich einer Vorlage der AGB-Verbraucherinformationen und mit dem zweiten Häkchen den Wunsch zur Teilnahme am „Gewinnspiel“ signalisierte. Unterhalb beider Felder war ein Button, durch dessen Anklicken die angebotene Leistung der Website in Anspruch genommen werden konnte. Zunächst mussten durch den Nutzer jedoch die AGB aufgerufen und bestätigt werden.  Diese umfassten neuen Seiten (Druck, Schriftgröße 12), dabei u.a. folgende Klauseln:

„Die Dienstleistung ist unmittelbar im Zusammenhang mit dem auf der Startseite angebotenen Produkt beschrieben. Detailliertere Informationen zur Dienstleistung und ihrem Preis erhalten sie, wenn Sie die Start- und Anmeldeseite von www…..com aufrufen als auch in diesen Geschäfts- und Teilnahmebedingungen unter Ziff. II. 6 und 7.“

„Für die Teilnahme an ….com gilt der bei der Bestellung angegebene Preis. Er ist auch unter Ziff. II. 7. dieser Geschäftsbedingungen einzusehen. Der Preis versteht sich brutto inklusive Mehrwertsteuer (Endgeld). Die Zahlung ist sofort nach Vertragsschluss fällig. Als Zahlungsbedingung besteht ohne besondere Vereinbarung die Möglichkeit der Überweisung und Rechnungstellung.“

„Der Nutzer ist zur Entrichtung des einmaligen Nutzungsentgelts von 59,95 Euro verpflichtet (Endgeld). Die Mehrwertsteuer ist in diesem Betrag erhalten. (…).“

Erst nach Bestätigung dieses neunseitigen Kataloges konnten die Leistungen in Anspruch genommen werden.

Mit einem Sternchenhinweis versehen befand sich am Seitenrand (sichtbar durch Herunterscrollen) ein sechszeiliger Text, der sich inhaltlich zunächst mit der Dateneingabe und Gewinnspielteilnahme befasste und am Ende in Fettdruck eine Preisangabe enthielt. Dieser auf allen Seiten – mit Ausnahme der angegebenen IP-Adresse, der Bezeichnung der angebotenen Leistung und den Betrag des Preises – gleichlautende, sechszeilige Text lautete am Beispiel der Seite „….com“:

* Nur richtig eingegebene Daten nehmen am Gewinnspiel teil. Um Missbrauch und wissentliche Falscheingaben zu vermeiden, wird ihre IP-Adresse (…) bei der Teilnahme gespeichert. Anhand dieser Adresse sind Sie über Ihren Provider identifizierbar. Durch Betätigung des Button „ROUTE PLANEN“ beauftrage ich ….com, mich für dem Zugang zum Routenplaner freizuschalten und, soweit gewünscht, mich für das Navigationsgeräte – Gewinnspiel zu registrieren. Der einmalige Preis für einen Drei-Monats-Zugang zu unserem Routenplaner beträgt 59,90 € inkl. gesetzlicher Mehrwertsteuer.

Nachdem zunächst das LG Frankfurt a. M. das Verhalten der Beschuldigten als „sich in einer rechtlichen Grauzone bewegendes Verhalten” bewertete, das „zwar als sozialethisch fragwürdig und verbraucherfeindlich, aber betrugsstrafrechtlich nicht relevant“ sei und dadurch die von der Staatsanwaltschaft angestrebte Hauptverhandlung mangels hinreichenden Tatverdachts nicht eröffnete, bejaht nun das OLG Frankfurt a. M. den für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichenden Tatverdacht gemäß § 203 StPO: Zwar sei auf den Webseiten nicht explizit erklärt worden, die angebotenen Leistungen seien kostenlos; vielmehr enthielten die Seiten einen versteckten Hinweis auf eine Kostenpflichtigkeit. Allerdings sei aufgrund des Gesamterklärungswertes von einer konkludenten Täuschung auszugehen. Weiter führt das Gericht aus:

„Im Zusammenhang mit der Erkennbarkeit der Preisangabe ist auch zu berücksichtigen, dass ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher als Nutzer der hier gegenständlichen Webseiten nicht erwarten muss, dass die angebotenen Leistungen kostenpflichtig sind. Denn die auf den von den Angesch. betriebenen Webseiten angebotenen Leistungen werden im Internet in gleicher oder ähnlicher Weise auch – in den meisten Fällen sogar überwiegend – unentgeltlich angeboten. Der Durchschnittsverbraucher ist es daher gewohnt, im Internet zahlreiche kostenlose Dienstleistungs- und Downloadangebote anzutreffen, ohne den Grund für deren Unentgeltlichkeit – der im Regelfall in der Erzielung von Werbeeinnahmen oder der Verschaffung eines Anreizes, ein anderes, dann aber kostenpflichtiges, Angebot wahrzunehmen, begründet ist – zu kennen. Insoweit kann der Nutzer, dem problemlos der Weg zu kostenfreien Alternativangeboten eröffnet ist, erwarten, dass ihm bereits bei Aufruf der Seite die zentrale Information der Kostenpflichtigkeit der Nutzung gleich zu Beginn der Nutzung an hervorgehobener Stelle mitgeteilt wird und er nicht erst nach dieser Information in Fußnoten oder über das Anklicken weiterer Seitenteile suchen muss. Vielmehr bedarf der Verbraucher eines deutlichen Hinweises auf die Entgeltlichkeit der unterbreiteten Angebote, zumal die situationsadäquate Aufmerksamkeit eines im Internet ‚surfenden’ Durchschnittsverbrauchers eher gering ist. Der durchschnittliche Internetnutzer nutzt beim ‚Surfen’ die Möglichkeit, zügig von einer Information zur nächsten zu wechseln, mit der Folge, dass zahlreiche Informationen nur fragmentarisch wahrgenommen werden. Ist der Verbraucher nur mit der reinen Informationsverschaffung und nicht zielgerichtet mit einem konkreten, erkennbar auf einen Vertragsschluss ausgerichteten Angebot befasst, hat er im Regelfall keinen Anlass, sich um eine gründliche und vollständige Wahrnehmung aller verfügbaren Informationen zu bemühen. Dies berücksichtigend ist ein hinreichend deutlicher Hinweis auf die Entgeltlichkeit des fraglichen Angebots nur zu bejahen, wenn diese Information für den Nutzer bereits bei Aufruf der Seite erkennbar ist und im örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben, die sich auf die angebotene Leistung direkt beziehen, steht. Daran fehlt es hier. Denn bevor der Nutzer zur Anmeldemaske gelangt, gibt es in dem Internetauftritt keinen Anhaltspunkt für eine mögliche Kostenpflichtigkeit. Preise, Zahlungsmodalitäten und Angebotsvarianten werden nicht angesprochen. (…) Die Eignung der Webseite zur Irreführung werde im Übrigen noch dadurch verstärkt, dass diese so gestaltet ist, dass sich am unteren Ende des bei Verwendung eines handelsüblichen 19-Zoll-Monitors mit der Standardauflösung 1280×1024 Pixel oder eines kleineren Monitors zunächst auf dem Bildschirm sichtbaren Teils der Button zur Inanspruchnahme der angebotenen Leistung der Website befindet. Dieser Button stellt sich optisch als Abschluss der Seite dar. Durch diese Gestaltung wird der Eindruck erweckt, dass sich alle für die Inanspruchnahme der Leistung maßgeblichen Informationen über dem Button befinden. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die auf dem zunächst sichtbaren Teil der Website enthaltenen Informationen ein inhaltlich geschlossenes Bild ergeben. Wie bei einem Formular kann auch die äußerliche Gestaltung einer Website auf deren Inhalt zurückwirken. Insoweit ergibt sich der Gesamterklärungswert der Webseite, dass nach erfolgter Registrierung die Inanspruchnahme der angebotenen Leistung und eine Teilnahme am Gewinnspiel möglich sind. Die Entgeltlichkeit der angebotenen Leistung ist von diesem Erklärungswert gerade nicht umfasst.“

Kommentar:

Von Abofallen sind viele Mandanten betroffen. Die Entscheidung hat also eine ganz erhebliche Praxisbedeutung. In einem ähnlichen Fall (Abofalle Opendownload) entschied das Amtsgericht Marburg mit Urteil vom 08.02.2010 (Az. 91 C 981/09), dass einem unrechtmäßig Gemahnten ein außerprozessualer Kostenerstattungsanspruch gem. § 823 Abs. 2 iVm §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 StGB zusteht. Darüber hinaus sieht der BGH für denjenigen, der mit einer unberechtigten Forderungen konfrontiert wird und zu deren Abwehr einen eigenen Rechtsanwalt einschaltet, unter bestimmten Bedingungen einen Kostenerstattungsanspruch der dabei anfallenden Anwaltskosten vor. Voraussetzung ist entweder eine schuldhafte Vertragsverletzung oder ein Anspruch auf gesetzlicher Grundlage. Hier mein Beitrag zum Urteil des AG Marburg.