Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit seinem rechtskräftigen Urteil vom 08.03.2010 (Az. I-20 U 188/09) entschieden, dass eine Person, von der heimlich Filmaufnahmen gefertigt wurden, keinen generellen Anspruch gegen ein Presseorgan auf Unterlassung erneuter heimlicher Aufnahmen hat. Darüberhinaus ist nach Ansicht des OLG die Anfertigung von Aufnahmen dem Grundsatz nach zulässig, wenn deren Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig ist.
Zum Sachverhalt:
Verklagt wurde ein Rundfunkunternehmen, das Mitte 2009 die Fernseh-Reportage „Gedopt am Arbeitsplatz“ ausstrahlte: Eine Reporterin hatte sich zuvor als vermeintliche Patientin durch den klagenden Arzt Psychopharmaka verschreiben lassen. Sie nahm das Beratungsgespräch heimlich mit einer Kamera auf. Gefilmt wurden neben dem eigentlichen Arzt-Patienten-Gespräch auch der Empfangsbereich der Praxis sowie das Treppenhaus. Bereits vorgerichtlich verpflichtete sich das Rundfunkunternehmen, Aufnahmen, in denen der Arzt erkennbar ist, nicht zu veröffentlichen.
Mit der Klage rügte der Arzt eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und bezüglich der Tonaufnahmen auch eine Strafbarkeit gem. § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Demgegenüber vertritt das Rundfunkunternehmen die Auffassung, die Aufnahmen im grundrechtlich geschützten Rahmen einer Recherchetätigkeit der Presse gem. Art. 5 Abs. 1 GG angefertigt zu haben.
Das OLG Düsseldorf entschied nun, den Antrag des Arztes zurückzuweisen. Es hat bereits Zweifel am Vorliegen der sog. Dringlichkeit (also anstatt einer „normalen“ Klage eine einstweilige Verfügung zu erlassen):
Schließlich bedarf es für die Beantwortung der Frage, ob die Ton- oder Bildaufnahme einer Person ohne ihr Einverständnis einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt stets der umfassenden Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem durch die Presse- und Rundfunkfreiheit geschützten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit (OLG Frankfurt a.M., a.a.O.). Diese rechtliche Beurteilung sollte nicht ohne Not in einem Verfahren erfolgen, in dem der Rechtsweg zum Bundesgerichtshof nicht gegeben ist. Der Antragsgegnerin würde jedenfalls zeitweise eine Beschränkung ihres journalistischen Arbeitens aufgegeben. Das involvierte Interesse der Allgemeinheit kann bei einer Verletzung nachträglich nicht geschützt werden, während jedenfalls bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen dem Antragsteller Schadensersatz zustehen kann.
Außerdem sieht es keinen Verfügungsgrund, also überhaupt keine materielle Anspruchsgrundlage. Der Kläger habe nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend dargelegt, dass er wiederholt mit heimlichen Aufnahmen rechnen müsse.
Der Antragsteller hat keinen so weit gehenden Anspruch auf Unterlassung heimlicher Bildaufnahmen aus entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. heimlicher Tonaufnahmen aus entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 201 StGB.
Beide Ansprüche setzen im Ergebnis jeweils eine umfassende Abwägung des tangierten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers gegen das durch die Presse- und Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Informationsinteresse der Allgemeinheit voraus. In der Sache begehrt der Antragsteller – auch wenn sich sein Antrag auf die konkrete Verletzungsform bezieht – die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen, weil eine völlig identische Wiederholung tatsächlich unmöglich ist. Ein derart weitgehender Unterlassungsanspruch besteht jedoch nicht.
Das OLG führt die Rechtsprechung des BGH zur Berichterstattung im privaten Bereich fort. So verneint es wie auch der BGH einen generellen Anspruch auf vorbeugenden Schutz vor (Bild-)Veröffentlichungen. Darüberhinaus sei eine tatsächliche Wiederholung des beanstandeten Vorfalls quasi unmöglich. Zusätzlich verweist das OLG auf § 23 KUG. Ausdrücklich wird nach dieser Norm unter bestimmten Voraussetzungen eine Bildveröffentlichung auch ohne Einwilligung des Betroffenen erlaubt. Auch Tonmitschnitte seien im Wege einer analogen Anwendung nicht anders zu bewerten. Bezüglich des mit der Klage thematisierten § 201 StGB führt das Gericht aus:
„Keine andere Bewertung ergibt sich in Bezug auf die gefertigten Tonaufnahmen. Zwar ist die heimliche Fertigung von Tonaufnahmen nach § 201 StGB – anders als nach § 201a StGB bei Bildnissen – stets strafbar. Jedoch weist bereits die Formulierung des Tatbestandes, nach der – nur – das unbefugte Fertigen solcher Aufzeichnungen verboten ist, darauf hin, dass in diesem Bereich besonders häufig Rechtfertigungsgründe vorliegen werden (Hoyer in SK-StGB, 7. Aufl. 56. Lfrg. § 201 StGB Rn. 34; Fischer StGB, 56. Aufl., § 201 Rn. 9). Hier kommt insbesondere eine Rechtfertigung durch Bejahung eines überwiegenden Interesses bei der Güter- und Interessenabwägung in Betracht (Fischer a.a.O. Rn. 11).“
Daher lehnt das Gericht auch diesbezüglich einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch ab.
Kommentar:
Problemlos ist das Anfertigen von Bildaufnahmen dann, wenn eine Einwilligung des Betroffenen nach § 22 KUG vorliegt oder eine solche nach § 23 Abs. 1 KUG erlaubt ist. Unmöglich ist eine Veröffentlichung von Bildaufnahmen ohne Einwilligung, wenn „berechtigte Interessen des Abgebildeten“ iSv § 23 Abs. 2 KUG vorliegen. Generell gilt es festzuhalten, dass heimlich angefertigte Aufnahmen im privaten Bereich generell unzulässig sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber gerade nicht um Material aus der Privatsphäre, sondern um Aufnahmen, die den Betroffenen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zeigen. Das OLG folgt daher wie genannt der bisherigen kerngleichen Rechtsprechung des BGH.