Rechtsnormen: § 51 Nr. 2 UrhG, Art. 5 Abs. 3 GG

Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 09.11.2010 (Az. 6 U 14/10) entschieden, dass die Märkische Oderzeitung den Abdruck von ihr veröffentlichten Zeitungsartikeln in dem Buch „Blühende Landschaften“ dulden muss.

Das Gericht nennt dabei folgende Leitsätze:

1. Werden bei Schaffung eines literarischen Werks mittels Collagetechnik neben eigenen Texten, Tagebucheintragungen und Urkunden urheberrechtlich geschützte Zeitungsartikel und in Zeitungen veröffentlichte Lichtbilder verwandt, sind diese Zitate künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel. Unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 GG muss ein solcher Eingriff in urheberrechtlich geschützte Positionen hingenommen werden, wenn er geringfügig erscheint und nicht mit der Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile verbunden ist.

2. Stellt die Verwendung der Artikel und Lichtbilder ein vom Autor gewolltes künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel dar, kann ihm nicht zugemutet werden, um die Einwilligung des Urheberrechtsinhabers nachzusuchen. Dies würde seine künstlerische Freiheit unzulässig beschränken.

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aus einer Buchveröffentlichung. Der ehemalige Direktor des AG Eisenhüttenstadt verfasste nach seiner Pensionierung insgesamt vier Bücher. 2009 erschien das vorerst letzte Buch der Reihe unter dem Titel „Blühende Landschaften“. Das Buch befasst sich mit politischen und sozialen Erscheinungen im Bezirk des AG Eisenhüttenstadt. In diesem Zusammenhang setzte sich der Autor auch mit der Rolle der dortigen Presse kritisch auseinander und bezog hierbei auch Lichtbilder ein, die in den Jahren seiner richterlichen Tätigkeit in der Märkischen Oderzeitung (MOZ) erschienen waren. Die Zeitung sah in dem Abdruck ihrer Artikel, für den sie eine Einwilligung nicht erteilt hatte, eine Verletzung ihrer Urheberrechte. Daher reichte sie Klage vor dem LG Potsdam ein. Nachdem das LG Potsdam erstinstanzlich der Unterlassungsklage stattgab, wies nun das Berufungsgericht die Klage ab:

Eine zur Unterlassung verpflichtende Verletzung des Urheberrechts der Klägerin, aus der allein sich die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche herleiten lassen könnten, liegt nicht vor. Denn der unstreitige Eingriff des Beklagten in urheberrechtlich geschützte Positionen der Klägerin ist bei richtigem, durch Art. 5 Abs. 3 GG vorgegebenem Verständnis der Vorschrift durch § 51 Nr. 2 UrhG gedeckt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts griff der Beklagte zwar in die urheberrechtlich geschützte Position der MOZ ein. Allerdings sei der Eingriff durch die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Kunstfreiheit geschützt. Mit seinem Buch „Blühende Landschaften“ habe der Beklagte ein eigenes literarisches Werk, das einem Kunstwerk iSd GG entspreche, geschaffen:

Das Buch stellt, was auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird, ein selbständiges Sprachwerk im Sinne des § 51 Nr. 2 UrhG dar. Es handelt sich bei diesem selbständigen literarischen Werk um ein Werk der Kunst. (…) Für die Herstellung des Werkes hat sich der Beklagte einer künstlerischen Technik, nämlich der literarischen Collage oder Montage bedient. Er hat teils mit, teils ohne erkennbaren Bezug zueinander in Sprachebene und Sprachstil unterschiedliche Texte – einleitende Betrachtungen, Tagebucheinträge, Artikel aus mehreren Zeitungen, Urkunden – sowie Lichtbilder miteinander kombiniert. Er hat mit dieser Technik – anders als bei einer Dokumentensammlung – ein künstlerisches Werk geschaffen, bei dem die einzelnen Teile der Montage miteinander in Wechselwirkung treten und der durch die Verschränkung unterschiedlicher Elemente erzielte literarische Effekt über die in den einzelnen Texten enthaltenen Aussagen hinausgeht. Dies gilt insbesondere für die aufgenommenen Zeitungsartikel und dazugehörigen Lichtbilder, die den Standpunkt der maßgeblichen lokalen Presse nicht bloß wiedergeben oder illustrieren, sondern gerade in ihrer konkreten Aufmachung in Zusammenschau mit den Tagebuchaufzeichnungen und sonstigen Texten die im beschriebenen Zeitraum vor Ort herrschende „öffentliche“ Atmosphäre mit Farbe versehen und damit erfahrbar machen. Das durch diese Bearbeitungstechnik geschaffene künstlerische Ergebnis erfasst den Buchinhalt im Ganzen, so dass eine isolierte Betrachtung einzelner Teile des Buches, namentlich des „Dokumentationsteils“ ab Seite 232 nicht geeignet ist, den dargestellten Gesamteindruck für sich maßgebend zu prägen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 29.06.2000, Az.: 1 BvR 825/98, GRUR 2001, 149) muss bei der in diesem Fall durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebotenen kunstspezifischen Betrachtung bei Auslegung und Anwendung des § 51 Nr. 2 UrhG berücksichtigt werden, dass der mit der Montage gewollten inneren Verbindung der „Zitate“ aus den urheberrechtlich geschützten Positionen der Klägerin mit den hinter der Vorgehensweise stehenden Gedanken und Überlegungen des Beklagten nicht bloße Belegfunktion zukommt, die Verwendung der Zitate vielmehr als künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel anzuerkennen ist. Unter Zugrundelegung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung durfte der Beklagte die im klägerischen Antrag aufgeführten Zeitungsartikel und Lichtbilder in seinem Buch verwenden. Dem Eingriff in das Urheberrecht der Klägerin kommt nur sehr geringes Gewicht zu. Die Artikel und Lichtbilder betreffen durchweg Tagesereignisse; ihr Wert ist zum ganz überwiegenden Teil durch die Veröffentlichung erschöpft. Dass ein Markt, auf dem sich nennenswerte Erlöse für die aus weit zurückliegenden Jahren stammenden Artikel erzielen ließen, besteht, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine Zweitverwertung in Jahrbüchern etc. als möglich dargestellt hat, ist ihr diese Möglichkeit durch das Vorgehen des Beklagten nicht abgeschnitten oder erschwert worden. Dass wegen der „Veröffentlichung“ des einen oder anderen Artikels im Werk des Beklagten das Käuferinteresse an einem künftig zu erstellenden Jahrbuch merklich leiden könnte, erscheint mangels anderer Darlegung äußerst unwahrscheinlich. Der Beklagte dagegen hätte auf andere Weise als geschehen – etwa durch exzerpierende Zitate aus den streitgegenständlichen Zeitungsartikeln und bloße Beschreibung der Lichtbilder – das Agieren der Presse und damit den atmosphärischen Hintergrund nicht adäquat darstellen können.

Kommentar:

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das Gericht ließ die Revision zum BGH zu.