Rechtsnormen: §§ 2 Abs. Nr. 1, 10 Abs. 1, 97 Abs. 2, 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG; § 278 BGB; § 287 ZPO

Das Landgericht Potsdam hat mit Urteil vom 27.01.2011 (Az. 2 O 232/10) entschieden:

1. Bei Urheberrechtsverstößen ist die Ermittlung der Schadenshöhe durch Lizenzanalogie möglich. Hierbei kann die Honorartabelle des Deutschen Journalistenverbandes hinzugezogen werden.

2. Die Beauftragung eines externen Dienstleisters befreit nicht von der Pflicht zur Beseitigung eines  Textes entsprechend einer abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung. Ein fährlässiges Verschulden des Dienstleisters ist der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen.

3. Eine Deckelung der Anwaltskosten auf 100 Euro für eine erstmalige Abmahnung findet entsprechend § 97a Abs. 2 nur außerhalb des geschäftlichen Verkehrs statt. Ein Gemeindeblatt, das sich durch kostenpflichtige Werbeanzeigen finanziert, nimmt am Geschäftsverkehr teil. Somit ist § 97a Abs. 2 UrhG nicht anwendbar.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin ist Kinderbuchautorin. Sie stellte Ende September 2009 fest, dass einer ihrer Texte in einer von der Beklagten herausgegebenen Gemeindezeitschrift (Ausgabe März 2002) abgedruckt worden war. Diese Ausgabe konnte auch im Internet als pdf-Dokument heruntergeladen werden. Infolgedessen mahnte der Rechtsanwalt der Klägerin die Beklagte ab. Die Abmahnung enthielt u.a. eine Unterlassungserklärung, die vorsah, es bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von € 5001,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, den streitgegenständlichen Text der Klägerin zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und umgehend von der Webpräsenz zu entfernen. Zusätzlich wurden Schadensersatzansprüche geltend gemacht, die durch Lizenzanalogie ermittelt wurden. Auch wurden Rechtsanwaltskosten, berechnet auf einen Streitwert iHv 20000 Euro, eingefordert. Mit anwaltlichem Schreiben gab die Beklagte eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Sie zahlte eine Lizenzgebühr iHv 100 Euro und eine Entschädigung für entstandene Anwaltsgebühren iHv 84 Euro an die Klägerin. Zeitgleich beauftragte sie die Streitverkündete mit der Entfernung der streitgegenständlichen Gemeindezeitschrift. Der Anwalt der Klägerin forderte kurz darauf den Restbetrag des geltend gemachten Anspruches ein, was der Anwalt der Beklagten umgehend ablehnte. Einen Monat später stellte die Klägerin fest, dass der streitgegenständliche Text noch immer auf dem Webserver der Beklagten aufzufinden und abrufbar war und mahnte die Beklagte erneut ab. Sie forderte die Beklagte erneut zur Abgabe einer Unterlassung- und Verpflichtungserklärung mit einer Vertragsstrafeandrohung von € 8000,00 auf. Zusätzlich forderte der Rechtsanwalt der Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von € 5001,00 sowie zur Erstattung der weiteren anwaltlichen Gebühren und noch offenen Forderungen aus der Erstabmahnung auf. Kurz darauf gab die Beklagte eine zweite strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, bestritt aber alle weiteren Ansprüche der Klägerin.

Das Landgericht Potsdam entschied nun, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch iHv 195 Euro gemäß § 97 Abs. 2 UrhG zusteht. Bei dem streitgegenständlichen Text handelt es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk gemäß § 2 Abs. Nr. 1 UrhG. Demnach habe die Beklagte das Recht der Klägerin als Alleinurheberin, ihr Werk zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, gemäß §§ 15, 16, 17 und 19a UrhG durch die Veröffentlichung des Werkes auf ihrer Homepage ohne Zustimmung der Klägerin verletzt. Die Schadenshöhe sei mittels Lizenzanalogie zu bestimmen: Demnach sei eine Lizenzgebühr angemessen, die „bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten“ (BGHZ 44, 372, 380 f.). Die Vergütungshöhe hänge von der künstlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Werkes und seiner Nutzung sowie vom Umfang der Nutzungsmöglichkeit ab (v. Wolff, Wandtke/Bullinger § 97 UrhG, Rn. 74). Gemäß § 287 ZPO sei die zu zahlende Lizenz vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände in freier Beweiswürdigung zu bemessen (vgl. BGH GRUR 1962, 509, 513). Vorliegend sei eine fiktive Lizenzgebühr iHv 200 Euro angemessen. Eine Hinzuziehung der Honorartabelle des Deutschen Journalistenverbandes sei sachgemäß. Dazu komme ein Anspruch auf Rückvergütung der notwendigerweise entstandenen Recherchekosten iHv 95 Euro. Mit dem Schadensersatzanspruch iHv insgesamt 295 Euro sei der bereits gezahlte Betrag iHv 100 Euro zu verrechnen.

Darüber hinaus hat die Klägerin einen Anspruch iHv 5001 Euro gemäß § 339 S. 2 BGB iVm der strafbewehrten Unterlassungserklärung, da die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung die Texte der Klägerin nicht von ihrer Homepage nahm. Dies konnte die Klägerin mittels Screenshots nachweisen. Die Beklagte handelte hier auch schuldhaft, da sie die Beauftragung eines externen Dienstleisters mit der Löschung des Textes nicht von ihrem Verschulden befreit, da ihr das fahrlässige Handeln des Dienstleisters gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist.

Im Übrigen hat die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten iHv 1781,20 Euro für die Erst- und Zweitmahnung der Beklagten gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG. Beide Abmahnungen waren berechtigt. Die Rechtsanwaltsgebühren bestimmen sich nach dem Streitwert. Für die erste Abmahnung wurde ein Streitwert von 20000 Euro zugrunde gelegt. Dies sei gerechtfertigt. Zur Streitwertermittlung führt das Gericht aus:

„Die bei der Abmahnung entstandenen Aufwendungen in Form von Anwaltskosten waren angemessen. Diese errechneten sich an einem Streitwert von € 20.000 mit einer Mittelgebühr von 1,3. Der durchschnittliche Streitwert für Urheberrechtsstreitigkeiten dieser Art liegt bei ca. € 16.000. Geht es um eine langfristige Urheberrechts Verletzung liegt der Gegenstandswert in der Regel zwischen € 25.000 und € 50.000 (Mayer/Kroiß-Nordemann-Schiffel, RVG, 3. Aufl. 2008, Anhang I, Rn. 431). Für eine Abmahnung, anders als bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren, wird dabei grundsätzlich der volle Hauptsachestreitwert zugrunde gelegt, denn die Abmahnung zielt darauf ab, den Streitgegenstand insgesamt zu regeln (Mayer/Kroiß-Nordemann-Schiffel, RVG, 3. Aufl. 2008, Anhang I, Rn. 434). Eine Deckelung der erforderlichen Aufwendungen auf € 100,00 findet hier nicht statt. § 97a Abs. 2 sieht vor, dass sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf € 100,00 beschränkt. Die Gemeinde nimmt durch ihr Gemeindeblatt, das sich unter anderem durch kostenpflichtige Anzeigen finanziert, am geschäftlichen Verkehr teil. Die Tätigkeit der Gemeinde erfüllt nicht die vom Gesetzgeber verlangte rein amtliche oder rein private Tätigkeit (Kefferpütz, Wandtke/Bullinger, § 97a ÜrhG, Rn. 37).“

Hinsichtlich der Zweitabmahnung wurde ein Streitwert von 28000 Euro zugrunde gelegt. Hierzu führt das Gericht aus:

„Die zweite Abmahnung erfüllt ebenfalls die Anforderungen des § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG, Eine erneute Abmahnung war geboten. Mit dem Verstoß gegen die strafbewerte Unterlassungserklärung bestand eine Wiederholungsgefahr durch die Beklagte. Der erhöhte Streitwert von € 28.000 bei der zweiten Abmahnung ist angemessen. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass für die zweite abzugebende strafbewerte Unterlassungserklärung eine höhere Vertragsstrafe festzusetzen war.“

Auch bzgl. der Rechtsanwaltskosten sei der bereits geleistete Betrag (84 Euro) mit dem fälligen Anspruch zu verrechnen.  Insgesamt steht der Klägerin damit ein fälliger Zahlungsanspruch iHv 6893, 20 Euro zu.

Kommentar:

Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sollte man sich schleunigst (persönlich) darum kümmern, die Inhalte der Erklärung zu erfüllen. Wenn man sich zur Erfüllung Dritter bedient und diese ihrer Aufgabe nicht sorgsam genug und insbesondere fristgemäß nachkommen, haftet man selbst. Ansonsten drohen eine (berechtigte) kostenintensive Zweitabmahnung und die Pflicht zur Zahlung der Vertragsstrafe aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Bei Fragen zu diesem Thema können Sie sich gerne jederzeit an die Kanzlei Dr. Graf wenden.