Rechtsnorm: § 242 BGB

Mit Urteil vom 15.06.2011 (Az. 2 O 9/11) hat das Landgericht Kleve entschieden, dass ein Handynutzer (übermäßig) hohe Mobilfunkgebühren (etwa 6000 Euro), die infolge der Nutzung eines ausländischen Netzes („Roaming“) angefallen sind, dann nicht bezahlen muss, wenn er vorher durch Abschluss eines „Flatrate“-Vertrages zum Ausdruck brachte, die laufenden Kosten niedrig halten zu wollen. Den Netzbetreiber trifft hier die Pflicht, dem Nutzer baldigst einen Warnhinweis zukommen zu lassen, dass durch die Mobilfunknutzung über ausländische Netze exorbitant hohe Kosten entstehen können.

Zum Sachverhalt:

Der Beklagte schloss mit der Klägerin Anfang 2009 einen Mobilfunkvertrag über eine Laufzeit von 24 Monaten. Es wurde eine Flatrate für innerdeutsche Telefonate von 25 Euro vereinbart. Für den Zeitraum 15.07.2009 bis 14.08.2009 stellte die Klägerin dem Beklagten Nutzungskosten iHv 5.980,23 Euro in Rechnung. Dem dazugehörigen Einzelverbindungsnachweis ist zu entnehmen, dass der Beklagte in der Zeit vom 24.07.2009 bis 11.08.2009 ein ausländisches Netz genutzt haben soll. Wegen Problemen mit seinem mobilen Internetzugang suchte der Beklagte im August 2009 ein Verkaufsgeschäft der Klägerin auf; dort erfuhr er, dass die Sim-Karte wegen eines angeblichen Zahlungsrückstands deaktiviert worden war. Streitgegenständlich ist die Deaktivierung der Sim-Karte. Die Klägerin buchte den vermeintlichen Rückstand vom Konto des Beklagten ab, dieser widersprach der Abbuchung.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage neben dem behaupteten Zahlungsrückstand (insgesamt 6.180,23 Euro) 275 Euro Schadensersatz aus der Vertragsrestlaufzeit von 11 Monaten multipliziert mit dem Basisbetrag von 25 Euro, 10 Euro für vorgerichtliche Mahnungen, 582,50 Euro Inkassokosten, 7 Euro Kontoführungsgebühren und 357,50 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten Mahnkosten geltend. Sie behauptet, ihre Abrechnung sei richtig, da  technische Fehler nicht vorlägen. So habe der Nutzer stets per SMS eine sogenannte „Willkommens-SMS“ erhalten, sobald sich sein Mobilfunkgerät in ein fremdes Netz einwählte. Auch das Display des Mobilfunkgerätes zeigte stets das aktuelle Netz an. Demnach habe der Beklagte die Möglichkeit gehabt, die Hardware so zu konfigurieren, dass für einen Netzwechsel seine Zustimmung erforderlich sei.

Der Beklagte bestreitet demgegenüber, ein ausländisches Netz genutzt zu haben. Er behauptet, er habe in der fraglichen Zeit in einem grenznahen Ort gewohnt, was er der Klägerin auch mitgeteilt habe. Das Internet habe er auch ausschließlich im Inland genutzt. Er verweist auf eine Hinweispflicht der Klägerin, wenn es im Grenzgebiet zu Problemen mit dem Netz komme. Im Übrigen hält er die Forderung für Wucher.

Nun entschied das Landgericht Kleve, die Klage mit Ausnahme einer Anerkenntnis des Beklagten iHv 200 Euro abzuweisen.

Das Gericht führt zu den Gründen aus:

„Nach Auffassung der Kammer ist es unerheblich, ob der Beklagte tatsächlich das Internet aus dem Ausland in Anspruch genommen hat oder ob die Nutzung des ausländischen Netzes wegen der Grenznähe erfolgt ist. In jedem Falle war es Aufgabe der x, den Beklagten, der offensichtlich seine Telefonkosten durch die Vereinbarung einer Flatrate niedrig halten wollte, darauf hinzuweisen, dass er durch die Inanspruchnahme des ausländischen Netzes exorbitant hohe Kosten verursacht. Diese Nebenpflicht der x aus dem Dienstvertrag ergibt sich aus ihrer gegenüber dem Nutzer des Mobilfunknetzes überlegenen Sachkunde. Die x kann nicht ihre Betreiber darauf verweisen, durch Eingriff in die Hardware – wozu im Zweifel nicht jeder Nutzer in der Lage ist – selbst dafür Sorge zu tragen, dass nicht ungewollt ein Einwählen in ausländische Netze stattfindet. Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht darauf verweisen, es sei aus dem Display (des Mobiltelefons) erkennbar, wenn ausländische Netze genutzt würden. Für den durchschnittlichen Benutzer erschließt sich daraus nicht ohne Weiteres, dass hierdurch exorbitant hohe Durchleitungsgebühren entstehen. Für die x war es demgegenüber technisch ohne Weiteres möglich, den Beklagten, nachdem er die vereinbarte Flatrate von 25 Euro erheblich überschritten hatte, durch SMS oder email vor den ungewöhnlich hohen Kosten zu warnen und sich zu vergewissern, dass der Beklagte den teuren Zugriff auf das ausländische Netz auch tatsächlich will. Diesem Rechtsgedanken hat die Europäische Union in der EU-Roaming-Verordnung auch Rechnung getragen, weil gerade in Fällen wie dem vorliegenden den Kunden hohe Durchleitungsgebühren (sog. „Schock-Rechnungen“) berechnet worden sind. So war bereits vor dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt ab dem 01.07.2009 eine Senkung der Höchstgrenze der europäischen Durchleitungsgebühren in Kraft getreten; diese betrugen für aktive Gespräche 43 Cent und für passive Gespräche 19 Cent zzgl. Mehrwertsteuer. Darüber hinaus wurde durch die geänderte Roaming-Verordnung eine Kostenobergrenze eingeführt, um unerwartet hohe Rechnungen bei der Benutzung von Daten-Roaming-Diensten zu verhindern. Ziel der Roaming-Verordnung ist u.a. der Schutz der Verbraucher vor Auslandstarifen, die im Vergleich zu den inländischen Preisen ungerechtfertigt hoch sind. Seit dem 01.03.2010 müssen die Betreiber eine Funktion zur Verfügung stellen, mit der die Verbraucher im Voraus den Höchstbetrag festsetzen können, den sie für die Auslandsnutzung von Datendiensten ausgeben wollen. Der Verbraucher erhält zunächst beim Erreichen von 80 % dieses Höchstbetrages einen Warnhinweis, und nachdem der Höchstbetrag erreicht ist, muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, diese Dienste dennoch weiter in Anspruch zu nehmen. Ab 01.07.2010 gilt für alle Kunden, die keine andere Obergrenze gewählt haben, standardmäßig eine Kostenobergrenze von 50 Euro zzgl. MWSt. (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Zwischenbericht über den Entwicklungsstand der Roamingdienste in der Europäischen Union vom 29.06.2010 – zitiert nach JURIS).

Die x wäre, da ihr auch vor Erlass der Roaming-Verordnung eine solche Warnung unschwer möglich gewesen wäre, schon im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet gewesen, den Beklagten durch eine solche Warnung vor nicht gewollter, weil teurer Nutzung ausländischer Netze zu schützen. Unter dieser Prämisse kann die Klägerin, da die Zedentin dem Beklagten eine solche Warnung nicht hat zukommen lassen, nur der vereinbarte Flatratebetrag von 25 Euro zugebilligt werden. Insoweit hat der Beklagte die Forderung nebst Verzugszinsen anerkannt.

Die Klägerin hat aus dem gleichen Grunde auch keinen Anspruch auf Schadensersatz für die restliche Laufzeit von 11 Monaten in Höhe von 275 Euro. Ein solcher Anspruch stünde ihr nur zu, wenn die Kündigung vom 17.02.2010 berechtigt gewesen wäre. Das ist jedoch – wie ausgeführt – nicht der Fall. Anspruch auf Zahlung von Mahngebühren, vorgerichtlichen Inkasso- und Rechtsanwaltsgebühren sowie Kontoführungsgebühren hat die Klägerin ebenfalls nicht. Diese sind nur angefallen, weil die Zedentin dem Beklagten die überhöhte Rechnung gestellt hatte und der Beklagte deswegen die Zahlungen eingestellt hat.“