Rechtsnormen: §§ 840 Abs. 1,  857 Abs. 1 ZPO

Mit Urteil vom 09.05.2011 (Az. 2-01 S 309/10) hat das LG Frankfurt a. M. entschieden, dass im Zuge einer Domainpfändung die DENIC eG als Drittschuldnerin gemäß § 840 Abs. 1 ZPO haften kann. Voraussetzung ist, dass sie ihre Drittschuldnereigenschaft unberechtigt ablehnt, die betreffende Domain löscht und damit eine Übertragung der Domain auf einen Dritten ermöglicht.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die DENIC eG auf Schadensersatz aus Pflichtverletzung in Anspruch. Die Beklagte ist zuständig für die Registrierung und den Betrieb von Second Level Domains unter .de, also dem vor dieser Endung befindlichen Bestandteil einer Internetadresse. Hierbei registriert die Beklagte einen Domain-Namen, der aus technischen Gründen nur einmal vergeben werden kann, für den jeweiligen Anmelder, wenn der Domain-Name nicht bereits für einen anderen eingetragen ist. Als Rechtsgrundlage zur Registrierung besteht stets ein Domainvertrag mit Domainbedingungen zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Domaininhaber.

Am 07.112007 bestellte der Kläger über die Domain p…24.de bei der Web. S. AG einen Fernseher zum Preis von 1.148,90 Euro. Trotz umgehender Zahlung wurde das Gerät dem Kläger nicht zugestellt; zunächst forderte er daher die Web. S AG zur Rückzahlung des Kaufpreises auf. Nach Fristablauf erwirkte er einen Vollstreckungsbescheid iHv 1.485,79 Euro nebst weiterer Kosten iHv 54,10 Euro. Mit Pfändungsbeschluss vom 21.08.2008 wurde daraufhin die Domain der Web. S. AG namens p…24.de gepfändet. Der Pfändungsbeschluss betraf die Nutzungsrechte an der Internetdomain. Die Beklagte wurde im Pfändungsbeschluss als Drittschuldnerin gekennzeichnet. Umgehend nach Zustellung wandte sich die Beklagte an den Kläger und bestritt, Drittschuldnerin zu sein und daher keine Drittschuldnererklärung gemäß § 840 Abs. 1 ZPO abzugeben. Kurze Zeit später löschte die Beklagte die Domain, die aber bereits am gleichen Tag auf einen Herrn K. neu registriert wurde, der sie auf eine britische Consulting Ltd. übertrug.

Vorliegender Rechtsstreit hat die Frage zum Gegenstand, ob die Beklagte Drittschuldnerin gemäß § 840 ZPO ist. Der Kläger vertritt dabei die Auffassung, die Beklagte hätte den Pfändungsbeschluss beachten müssen und hafte somit als Drittschuldnerin für die von ihm als Gläubiger nicht gebilligte Übertragung der gepfändeten Domain.

Nachdem in erster Instanz das AG Frankfurt a. M. (Urt. v. 22.10.2010, Az. 32 C 682/10) die Klage abgewiesen hatte, entschied nun die Berufungsinstanz zugunsten des Klägers.

Das Gericht führt zu den Gründen aus:

„Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz iHv 1.706,30 Euro gem. § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Hierbei ist zunächst Gegenstand der Pfändung in eine Internet-Domain nach § 857 Abs. 1 ZPO die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Beklagten aus dem der Domainregistrierung zu Grunde liegenden Vertragsverhältnisses zustehen (BGH WM 2005, 1849 ff.). Wie die Berufung zu Recht rügt, ist die Beklagte entgegen der Würdigung des Amtsgerichts auch Drittschuldnerin im Sinne des § 840 Abs. 1 ZPO. Drittschuldner ist jeder Dritte, dessen Leistung zur Ausübung des gepfändeten Rechts erforderlich ist oder dessen Rechtsstellung von der Pfändung berührt wird. Die Beklagte schuldet hierbei aufgrund des mit ihrem Kunden bestehenden Dauerschuldverhältnisses nach der Konnektierung insbesondere die Aufrechterhaltung der Eintragung im Primary Nameserver als Voraussetzung für den Fortbestand der Konnektierung. Daneben bestehen weitere Ansprüche des Domaininhabers wie die Anpassung des Registers an seine veränderten persönlichen Daten oder die Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der IP-Nummer (BGH, a.a.O. m.w.N.). Die Pfändung des Anspruchs auf Aufrechterhaltung der Registrierung aus einem Vertrag des Domaininhabers mit der Beklagten umfasst ferner auch alle weiteren, sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche (BGH, a.a.O.). Abgesehen davon (…) bezeichnet die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch ausdrücklich die „schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber einer Internet-Domain gegenüber der DENIC oder einer anderen Vergabestelle zustehen“ als ein Vermögensrecht. Hieraus folgt wenigstens inzident‚ dass die Beklagte Drittschuldnerin ist. Im Übrigen wird dies auch von dem vom Kläger zur Akte gereichten Rubrum dieser Entscheidung untermauert, in dem die Beklagte auch ausdrücklich als Drittschuldnerin bezeichnet wird. Für die Stellung der Beklagten als Drittschuldnerin spricht ferner, dass Voraussetzung der Auskunftspflicht des § 840 ZPO lediglich die – hier vorliegende – formell wirksame Zustellung des Pfändungsbeschlusses ist. Darauf, ob die gepfändete Forderung tatsächlich besteht, kommt es indes nicht an. Die Auskunftspflicht des § 840 ZPO knüpft damit nicht an den Bestand einer gepfändeten Forderung an, sondern lediglich daran, dass der in Anspruch genommene potentieller Drittschuldner sein könnte (OLG Schleswig, a.a.O.). (…)

Kommentar:

Ein erfreuliches Urteil. Leider ist die Weigerung der DENIC, ihrer Pflicht als Drittschuldnerin nachzukommen und gemäß dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Domain zu pfänden, kein Einzelfall. Ähnliche Verhaltensweisen in vergleichbaren Fällen scheinen die Regel zu sein. Zukünftig wird sich die DENIC umstellen müssen, ansonsten drohen in Anlehnung an obiges Urteil Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen die Pflichten eines Drittschuldners und wegen Vereitelung der Zwangsvollstreckung.

Die Kanzlei Dr. Graf steht für Fragen rund um diese Problematik jederzeit zur Verfügung und berät Sie hierzu gerne.