Rechtsnormen: §§ 818 Abs. 2, 812 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB

Mit Urteil vom 18.07.2011 (Az. 38 O 350/10) hat das Landgericht Berlin entschieden, dass ein Verbraucher eine Mobilfunkrechnung iHv 14.727,65 Euro nicht bezahlen muss.

Zum Sachverhalt:

Ein Mobilfunk-Kunde (Beklagter) wählte einen Prepaid-Tarif, den das Mobilfunk-Unternehmen (Klägerin) im Internet mit dem Hinweis „Einfach abtelefonieren, erhöhte Kostenkontrolle, automatische Aufladung möglich“ bewarb. Der Kunde wählte die Option „Webshop-Aufladung 10“ aus. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zum Prepaid-Tarif heißt es u.a.:

1. Die nutzungsabhängigen und nutzungsunabhängigen Entgelte sind vom Kunden grundsätzlich im Voraus zu zahlen (Vorleistungspflicht). Zur Abwicklung dieses Vertragsverhältnisses richtet S… dem Kunden ein Guthabenkonto ein, über das mit der Leistungserbringung durch S… die Zahlung der vorgenannten Entgelte erfolgt. Die Dienstleistungen von S… können nur genutzt werden, wenn ein ausreichendes Guthaben auf dem Guthabenkonto vorhanden ist.

2. Da Vorleistungspflicht erfüllt der Kunde durch die Aufladung eines Guthabens auf sein Guthabenkonto. S… behält sich vor, einen Höchstbetrag für die Aufladung des Guthabenkontos festzulegen. Der Kunde wird entsprechend hierüber informiert.“

Im August 2009 stellte die Klägerin dem Beklagten dann 14.727,65 Euro für die Telefonnutzung in Rechnung. Hiervon entfielen 14.706,19 Euro auf 15 GPRS-Verbindungen über die SIM-Karte des Kunden aus der Zeit vom 08.08.2009 um 0.47 Uhr bis zum 09.08.2009 um 15.15 Uhr.

Die Klägerin fordert mit ihrer Klage den Betrag nebst Inkassokosten ein, der Beklagte bestreitet demgegenüber, die abgerechneten Verbindungen in dem hohen Umfang über seine SIM-Karte geführt zu haben und ist der Ansicht, die Klägerin hätte die Verbindung angesichts des unüblich hohen Verbindungsaufkommens kappen und ihn bereits bei Vertragsschluss auf mögliche hohe Kosten hinweisen müssen.

Das Landgericht entschied nun zugunsten des Beklagten und gab der Klage lediglich hinsichtlich eines Anspruches iHv 10 Euro statt. Alle darüber hinausgehenden Ansprüche wies das Gericht ab. Es begründet seine Entscheidung wie folgt:

Als Vergütung für die abgerechneten Verbindungen steht der Klägerin über die in der Rechnung gutgeschriebenen Wiederaufladebeträge hinaus ein vertragliches Entgelt jedoch nur in Höhe des (einmaligen) Wiederaufladungsbetrages von 10,00 € gemäß der vom Beklagten gewählten Option zu. Dass in dieser Höhe Gesprächsverbindungen geführt wurden, hat der Beklagte nicht substantiiert bestritten, da sein Bestreiten sich lediglich auf das hohe Volumen beschränkt. Die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ergibt, dass zwischen den Parteien vereinbart wurde, dass Gespräche nur nach Vorleistung durch Aufladung über das Guthabenkonto oder einmalig (vor erneuter aktiver Wiederaufladung) in Höhe von 10,- € abgerechnet werden dürfen. (…)  Die Wahl der Option „Webshop-Wiederaufladung 10“ (Euro), die nicht näher im textlichen Vertrag der Parteien definiert ist, war nach dem für die Klägerin erkennbaren objektiven Empfängerhorizont nicht dahin zu verstehen, dass eine mehr als einmalige automatische Wiederaufladung in Höhe von 10,00 € vor erneutem aktiven Wiederaufladen gewünscht war. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin auch andere Wiederaufladebeträge anbot und als Merkmal des Prepaid-Tarifes eine erhöhte Kostenkontrolle herausstellte. Für die Klägerin war daher erkennbar, dass Kunden, die den Prepaid-Tarif wählten, für alle Gestaltungsmöglichkeiten des Prepaid-Tarifes grundsätzlich davon ausgingen, eine bessere Kostenkontrolle als beim Postpaid-Tarif zu haben. Ein Tarif, bei dem sich das Guthabenkonto aber unbegrenzt automatisch – um welchen Betrag auch immer – während der Verbindungen wieder auflädt, bietet keine Vorteile bei der Kostenkontrolle gegenüber einem Postpaid-Konto, zumal die Klägerin auch nicht vertraglich verpflichtet ist, den Kunden sofort über die automatische Wiederaufladung durch SMS zu benachrichtigen. Auch wäre eine solche Interpretation der Wahl der Wiederaufladefunktion nicht mehr mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vereinbar, demzufolge die Entgelte „grundsätzlich“ im Voraus zu zahlen sind. Wie der vorliegende Fall zeigt, wären von der Rechnung vom 31.08.2009 jedoch lediglich 20,00 € im Voraus und die übrigen knapp 14.000,00 € erst im Nachhinein zu zahlen.