Rechtsnormen: §§ 155, 305c BGB; § 1 Abs. 6 PAngV

Mit Urteil vom 21.10.2011 (Az. 50 S 143/10) hat das LG Berlin entschieden:

Ist die Entgeltpflicht für eine Dienstleistung auf einem Anmeldeformular im Internet und den später übersandten AGB so versteckt, dass der durchschnittlich aufmerksame Internetnutzer diese nicht erkennt, so kommt kein Vertrag zustande.

(Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt die Website www.live2gether.de. Nach erfolgter kostenpflichtiger Anmeldung bietet sie auf dieser Seite Zugang zu einer Datenbank, in der sich Wohngemeinschaftsangebote und entsprechende Gesuche von anderen Teilnehmern befinden. Die Nutzung der Seite kostet monatlich 8 Euro bei einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten, zu zahlen je für ein Jahr im Voraus.

Die Beklagte meldete sich 2009 an. Nach Eingabe ihrer persönlichen Daten erhielt sie von der Klägerin eine E-Mail mit einem Verifikationslink zwecks Bestätigung der Anmeldung. Diesen Link betätigte sie auch. Infolgedessen übersendete ihr die Klägerin eine Rechnung iHv EUR 96,- (Vorab-Gebühr für 12 Monate Nutzungsmöglichkeit). Die Beklagte lehnt die Zahlung an. Sie argumentiert, sie habe nicht in dem Bewusstsein gehandelt, dass die Anmeldung kostenpflichtig sei, weil auf der Anmeldeseite und in den AGB nicht hinreichend deutlich darauf hingewiesen werde. Wegen der äußeren Gestaltung der Website und weil vergleichbare Angebote im Internet in erheblichem Umfang kostenlos unterbreitet würden, habe sie mit einer Entgeltregelung nicht rechnen müssen.

Nachdem das AG Berlin die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt hatte, legte sie das Rechtsmitte der Berufung beim LG Berlin ein. Das Landgericht entschied nun zugunsten der Beklagten.

Nach Ansicht des Landgerichts sei kein rechtmäßiger Vertrag zustande gekommen; somit müsse die Beklagte auch keine Zahlung leisten.

Das Gericht führt zur Begründung aus:

„Die Anmeldung der Beklagten auf der Anmeldeseite der Website stellt kein Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Vertrages dar. Dies gilt sowohl für den Fall, dass das Anmeldeformular das Vertragsangebot darstellen sollte, als auch für den Fall, dass die Anmeldung ein Angebot sein sollte. Denn die Anmeldeseite ist nicht so gestaltet, dass sie bei dem Durchschnittsverbraucher zwangsläufig zu der Erkenntnis führt, dass die Leistung der Klägerin kostenpflichtig ist (siehe dazu Buchmann und andere NJW 2009, 3189).
Dies ergibt sich insbesondere aus der Gestaltung der Website und der Führung des Nutzers zum Anmeldebutton. Zu der Anmeldeseite gelangt man nicht sofort, wenn man auf die Website gerät. Die Website besteht aus verschiedenen Seiten. Erst beim Weiterklicken auf die Anmeldeseite findet sich der Hinweis auf eine Entgeltpflicht in der Mitte des auf der rechten Seite grau unterlegten Textes. Dieser ist so versteckt, dass er vom im Internet surfenden Durchschnittsverbraucher nicht zwangsläufig gesehen wird, sondern erst bei sehr genauem Lesen. Nicht nur ist der Preis im Fließtext versteckt, und zwar zwischen zwei weniger interessanten Angaben, er befindet sich auch unterhalb dreier extra anzuklickender Kästchen über AGB und Widerruf, die Datenschutzbestimmungen und den Wunsch nach Informationen durch einen Newsletter. Diese Kästchen wirken durch die Gestaltung ihrerseits auffällig und suggerieren durch die abnehmende Wichtigkeit der anzuklickenden Informationen, dass der folgende grau hinterlegte Text, in dem es zunächst auch nur um die Erklärung für die Datenabfrage geht, nur weitere übliche Hinweise enthält (siehe dazu Landgericht Berlin, Urteil vom 8. Februar 2011 – 15 O 268/10). Je nach Bildschirm ist die Zeile, in der dann im Fließtext der Preis von – nicht in Ziffern dargestellt – “acht Euro” auftaucht, erst nach Herunterscrollen zu sehen. Zunächst erscheint die Anmeldeseite aber so, dass die Eingabemaske nur bis zu der Zeile „Land…… Geburtstag“ steht und rechts der erste Absatz des grau hinterlegten Textes endet, in dem die Mitteilung enthalten ist, dass die Speicherung der IP Adresse zwecks Missbrauchsvorbeugung erfolgt. Aber auch wenn herunter gescrollt wird, bleibt die Preisangabe im Fließtext in der Mitte des mittleren von drei Absätzen versteckt. Dabei wird jedoch die Aufmerksamkeit beim Herunterscrollen von der linken Seite angezogen, in welcher die Daten weiter eingegeben werden müssen. Zusätzlich abgelenkt wird der Nutzer dadurch, dass sich unter dem Eingabeblock links ein auffälliger Button mit der Aufschrift „jetzt anmelden“ befindet; er befindet sich nicht etwa in der Mitte, wodurch das Formular und der grau hinterlegte Text nochmals optisch getrennt werden. (…)
Auch die Notwendigkeit, persönliche Daten einzugeben, lässt nicht zwingend den Schluss auf Kostenpflichtigkeit zu. Insbesondere lässt sich die Eingabe von persönlichen Daten damit erklären, dass Wohnangebote aus Sicherheitsgründen nicht anonym bleiben können. Weder die Abfrage der Daten noch der Hinweis auf AGB führen dazu, dass der Durchschnittsverbraucher erkennt, eine Vergütungsverpflichtung einzugehen, schon gar nicht eine zwölfmonatige Vertragsbindung mit einer nicht unerheblichen Zahlungspflicht (siehe OLG Frankfurt VuR 2009,151, Rn. 37-40, zitiert nach juris).
Ebenso wenig reicht der Doppelsternchenhinweis auf den Jahrespreis. Zwar ist in dem Hinweistext ausgeführt, dass die Mindestvertragslaufzeit zwölf Monate beträgt und sich damit ein Jahresbetrag von 96 € ergibt. Angesichts der Gestaltung der Anmeldeseite ist es aber nicht zwingend, dass man überhaupt so weit hinunter gelangt, denn um den Anmeldebutton anzuklicken, braucht man nicht bis ganz ans Ende der Seite herunter zu scrollen. Durch das Verstecken der Doppelsterne im Fließtext ist der Verweis auch nicht so auffällig, dass man es zwangsläufig täte.
Im Übrigen kommt in den Texten der Klägerin nicht zum Ausdruck, dass überhaupt ein Vertrag geschlossen werden soll; dieses Wort wird gemieden, stattdessen wird nur von“ anmelden“ und „Anmeldung abschließen“ gesprochen und der Eindruck einer reinen Registrierung hervorgerufen. Erst in Nr. 2.b der AGB ist dann im Kleingedruckten die Rede vom Abschluss eines Vertrages. Deshalb kann auch die Absendung der Verifikationsmail durch die Beklagte kein Angebot ihrerseits an die Klägerin zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages gewesen sein. In der beispielhaft in Anlage K 15 vorgelegten Verifikationsmail heißt es:“ vielen Dank für deine Anmeldung… melde dich mit diesem Verifikationslink bei uns an um deine Anmeldung abzuschließen“. Damit wird nur zum Ausdruck gebracht, dass mit der Meldung (Klick auf den Link) die endgültige Registrierung erfolgt. Erst darunter, das heißt nachdem auf den Link geklickt worden ist, wird auf die Kostenpflichtigkeit hingewiesen, und zwar wiederum unauffällig im Fließtext. Damit konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Kostenpflichtigkeit vom Willen der Beklagten umfasst war (vergleiche Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 5.3.2010 – 206 C 541/09). (…)
Eine stillschweigende Vergütungsvereinbarung gemäß § 612 Abs. 1 BGB scheidet aus, weil nach den Umständen nicht zu erwarten ist, dass die Dienstleistung nur gegen Vergütung zu erhalten ist. Denn die Internetseite ist gerade so gestaltet, dass der Eindruck erweckt wird, die Leistungen seien unentgeltlich. Umstände, aus denen sich eine Entgeltlichkeit ergäbe, liegen gerade nicht vor. Es handelt sich auch nicht um eine Dienstleistung, die stets nur gegen Vergütung erbracht wird, wie die mehreren ähnlichen unentgeltlichen Webseiten, welche ohne Problem aufgerufen werden können, zeigen. Die Kammer folgt auch hier der Auffassung des Amtsgerichts nicht. Zwar kann angesichts der Verbreitung kostenpflichtiger Angebote im Internet in der Tat nicht grundsätzlich von einer Kostenlosigkeit ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall spricht aber gegen die Erwartung einer Bindung durch ein Abonnement schon, dass ein solches für das Finden einer Wohngemeinschaft vernünftigerweise nicht abgeschlossen wird: Wer eine Wohngemeinschaft sucht, braucht nach dem Fündigwerden keine Angebote mehr, das Abonnement wäre sinnlos.“

Kommentar:

Aus der umfangreichen Begründung geht hervor, dass das Landgericht die Webseite mitsamt der  vermeintlichen Kostenpflicht als Abofalle betrachtet.

Das Gericht ließ die Revision zum BGH zu.