Rechtsnorm: § 12 Abs. 2 UWG

Das Kammergericht Berlin hat mit rechtskräftigem Urteil vom 11.05.2010 (Az. 5 U 64/09) entschieden:

Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG  widerlegt, wer nach erstinstanzlich erfolgreichem Eilverfahren zu Beginn des Berufungsrechtszugs ohne besonderen Grund erklärt, dass er bis zum Verfahrensabschluss aus der einstweiligen Verfügung nicht vollstrecken werde.

(Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Nachdem die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung wegen Markenverletzung gegen die Antragsgegnerin erwirkt hatte, musste diese u. a. Auskunft erteilen. Diesem Auskunftsanspruch kam die Antragsgegnerin allerdings nicht nach, woraufhin die Antragstellerin zunächst einen Antrag auf Zwangsmittel nach § 888 ZPO stellte. Demgegenüber beantragte die Antragsgegnerin Einstellung der Zwangsvollstreckung und legte Berufung gegen das Verfügungsurteil ein. Die Antragstellerin erklärte daraufhin, „dass wir aus der angegriffenen einstweiligen Verfügung bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens nicht vollstrecken werden. Unseren Antrag auf Festsetzung des Zwangsgeldes […] nehmen wir zurück“.

Das KG folgte nun den Ausführungen der Berufung und hob die Verfügung auf.

Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit einer analogen Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG auf markenrechtliche Ansprüche könne diese hier dennoch nicht angewandt werden. So habe die Antragstellerin die (nach der Senatsrechtsprechung analog § 12 Abs. 2 UWG zu ihren Gunsten streitende) Dringlichkeitsvermutung durch zögerliche Verfahrensbetreibung selbst widerlegt.

Das Gericht führt aus:

„Nach obergerichtlicher Rechtsprechung ist die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt, wenn der Antragsteller nach Erlass der Beschlussverfügung und deren Vollziehung in Kenntnis der Fortsetzung des untersagten Verhaltens keinen Vollstreckungsantrag stellt, um das sich aus § 945 ZPO ergebende Kostenrisiko zu vermeiden (OLG Frankfurt, Urt. v. 25.03.2010 – 6 U 219/09 – Whiskey-Cola).

Ebenso beseitigt ein bald nach Erlass einer einstweiligen Verfügung von dem Gläubiger im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen erklärtes Einverständnis, „bis zu einer Entscheidung des Verfügungsverfahrens“ auf die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu verzichten, die Dringlichkeitsvermutung jedenfalls dann, wenn in den nachfolgenden Monaten konkrete und mit zeitlichen Limits zur Beantwortung versehene Vorschläge zur Beilegung des Rechtsstreits nicht unterbreitet werden.

Nach Ansicht des Gerichts ist der Streitfall so gelagert: Nachdem die Antragstellerin einen Antrag nach § 888 ZPO wegen bislang nicht erteilter Auskunft gemäß Ziffer 3 der einstweiligen Verfügung gestellt hatte, hat die Antragsgegnerin nach Verkündung des angefochtenen (die einstweilige Verfügung bestätigenden) Urteils u.a. die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt und im Folgenden Berufung eingelegt. In ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag der Gegenseite auf Einstellung der Zwangsvollstreckung hat die Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten erklären lassen, „dass wir aus der angegriffenen einstweiligen Verfügung bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens nicht vollstrecken werden. Unseren Antrag auf Festsetzung des Zwangsgelds nach § 888 ZPO vom 22.04.2009 nehmen wir zurück.“ Mit diesem – generellen und einschränkungslosen – Verzicht auf jegliche Vollstreckung aus der erstrittenen einstweiligen Verfügung (in allen Punkten) bis zum Abschluss des – seinerzeit gerade erst eingeleiteten – Berufungsverfahrens (noch nicht einmal die Berufungsbegründung lag damals vor) hat die Antragstellerin – jedenfalls bei objektiver Lesart – gezeigt, dass es ihr mit der Durchsetzung der geltend gemachten Rechte (Unterlassung, Auskunft, Herausgabe) überhaupt nicht (mehr) eilig war. Irgendein besonderer Rechtfertigungsgrund für dieses damalige „Rückzugsverhalten“ der Antragstellerin ist nicht erkennbar (eine etwaige – sich aus dem drohenden Markenverlust möglicherweise bereits abzeichnende – allgemeine Befürchtung der Antragstellerin, im Unterliegensfalle gemäß § 945 ZPO auf Schadensersatz zu haften, stellt eine solche Rechtfertigung jedenfalls nicht dar).“

Das Gericht erkennt in diesem „generellen und einschränkungslosen Vollstreckungsverzicht, der schon bei Beginn des Berufungsverfahrens erklärt wurde“, dass die Antragstellerin objektiv gezeigt habe, „dass ihr die Durchsetzung ihrer Verletzungsansprüche nicht mehr eilig war“.

Jedenfalls sei eine Rechtfertigung für diesen Rückzug nicht erkennbar. Im Übrigen rechtfertige eine bloße Angst vor möglichen Schadensersatzansprüchen aus § 945 ZPO bei einer späteren materiellen Niederlage im Verfügungsverfahren den Vollstreckungsverzicht jedenfalls nicht.