Rechtsnormen: Art. 22, 23 KUG; §§ 823, 1004 BGB; Art. 1, 2, 5 GG; § 230 StGB

  1. Das KG Berlin hat mit Urteil vom 19.03.2010 (Az. 9 U 163/09) entschieden: Kommt es in einer über lange Zeit in bestimmter Art und Weise nach außen inszenierten und kommerzialisierten Paarbeziehung zu einer gewalttätigen Eskalation in der Öffentlichkeit, kann auch derjenige prominente Partner, der die Kontrolle nicht verloren hat, die Grenzen seines Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit nicht mehr selbst bestimmen; er muss sich das Verhalten des anderen zurechnen lassen. Die berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, kann die prominente Antragstellerin in dieser Situation nicht haben.
  2. Eine über den Informationsgehalt hinausgehende demütigende oder entwürdigende Darstellung, die der Betroffene nicht hinnehmen muss (vgl. KG, 14. Juli 2006, 9 U 228/05, juris Tz. 16 ff.), ist hier nach dem Gesamtkontext der Berichterstattung nicht gegeben.

(Leitsätze des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Antragstellerin ist die insbesondere als „Tatort“-Kommissarin Eva Saalfeld bekannte Schauspielerin Simone Thomalla, die sich Anfang 2009 von ihrem langjährigen Lebensgefährten Rudi Assauer, mit dem sie unter anderem einige kommerzielle Werbespots für eine deutsche Brauerei drehte, trennte. Mitte 2009 kam es zwischen beiden in der Öffentlichkeit zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Durch einen aufmerksamen Passanten wurde die Polizei verständigt.  Eine von der Antragsgegnerin verlegte Zeitung berichtete anschließend über den Vorfall mit folgender Überschrift:

„Prügelei auf Sylt! Sie küssen und sie schlagen sich. Erst als die Polizei kommt ist Ruhe.“

Darüber hinaus veröffentlichte die Zeitung insgesamt neun Photos des Streits. Thomalla wehrte sich gegen die Berichterstattung im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Nachdem das Landgericht die Verfügung antragsgemäß erließ, hob nun das Kammergericht den Erlass wieder auf: Entscheidend für die Abwägung zwischen berechtigtem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz der Privatsphäre des Abgelichteten sei die Frage, ob eine Angelegenheit ernsthaft und sachbezogen von der Öffentlichkeit erörtert werde (vgl. u.a. „Caroline von Monaco“, BVerfG, GRUR 200, 446).

Die angegriffenen Bilder zeigen die Antragstellerin, die als bekannte Schauspielerin eine Person der Öffentlichkeit ist, in einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten, der als ehemaliger Manager eines Gelsenkirchener Fußballvereins einen ähnlichen Bekanntheitsgrad aufweist. Skandalöse Verhaltensweisen, die sittlich und rechtlich zu beanstanden sind, dürfen der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, wenn dieses Zeigen einer Meinungsbildung hinsichtlich Fragen des öffentlichen Interesses nutzen kann. Vorliegend liegt (wenigstens) der Verdacht einer strafrechtlich relevanten Körperverletzung nahe, infolgedessen eine Berichterstattung grundsätzlich zulässig ist.

Diese Zulässigkeit gelte nach Ansicht des Berliner Kammergerichts auch zulasten des Beteiligten, der sich nicht in strafbarer Weise verhielt.  So sei hier entscheidend, dass es sich bei beiden Beteiligten um Personen der Öffentlichkeit handele, die ihre Beziehung stets in die Öffentlichkeit trugen. So sei die Presse stets durch Exklusivinterviews, Homestories o.Ä.  „auf dem Laufenden“ gewesen. Mit Werbeauftritten für eine Brauerei hätten sie ihr Privatleben zusätzlich kommerzialisiert:

„Wie die von der Antragsgegnerin eingereichten zahlreichen Presseveröffentlichungen belegen, hat die Antragstellerin von Anfang an offen und ausführlich und keineswegs nur allgemein und oberflächlich über den Beginn ihrer Beziehung und über den jeweiligen Zustand ihrer Partnerschaft (Kinderwunsch, Ehepläne, „Bekanntgabe“ der Trennung) gegenüber der Presse gesprochen. Sie hat gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Exklusivinterviews gegeben und auch „Homestories“ (vgl. B. Nr. …. vom 19. Mai 2006 – Anlage AG 3) zugelassen. Jedenfalls mit der V. -Werbung ab dem Jahr 2003 (Anlage AG 4) hat sie ihr Privatleben mit Herrn A. kommerzialisiert. Anders als das Landgericht meint, handelt es sich nicht um eine rein künstlerische Auseinandersetzung mit der Thematik. Der große Erfolg der Werbespots beim Publikum liegt im Wesentlichen darin begründet, dass es sich – selbstverständlich in ironischer Überspitzung – um Szenen aus dem Privatleben des prominenten Paares gehandelt haben könnte. Zwar war die Antragstellerin in diesen Fällen „Herrin der Inszenierung“ ihres öffentlichen Erscheinungsbildes. Dennoch übernimmt derjenige, der seinen privaten Bereich derart öffnet, wie die Antragstellerin, eine stärkere Leitbild- oder Kontrastfunktion für eigene Lebensentwürfe in der Öffentlichkeit als derjenige Prominente, der sein Privatleben sehr zurückhält.

In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass sich derjenige, der seinen privaten Bereich gegenüber der Öffentlichkeit – z. B. durch Exklusivinterviews – öffnet, nicht mehr auf den umfassenden Schutz seiner Privatsphäre berufen kann (BVerfG, Beschluss vom 21. August 2006 – 1 BvR 2606/04 u. a. –, NJW 2006, 3406 Tz. 31; Urteil vom 15. Dezember 2009, a. a. O., S. 385; zustimmend Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.64; Wanckel, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 19, Rn. 25 f.). An einer solchen Öffnung privater Bereiche ist zwar niemand gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (Wanckel, a. a. O.). Das gilt auch für den Fall, dass der Entschluss, die Berichterstattung über bestimmte Vorgänge der eigenen Privatsphäre zu gestatten oder hinzunehmen, rückgängig gemacht wird.“

Abschließend stellt das Gericht fest, dass die streitige Zeitungsberichterstattung keine demütigende oder entwürdigende Darstellung der Antragstellerin, die über den Informationsgehalt hinausgeht, bedeute. „Weder die Fotoserie noch einzelne der Fotos zeigen die Antragstellerin in einer unwürdigen oder erniedrigenden Opferrolle. Stärker noch als die Wortberichterstattung geben die Bildnisse einen nach und nach eskalierenden Streit wieder, in dem die Antragstellerin, sobald er handgreiflich wird, zwar körperlich unterlegen ist, aber insgesamt keineswegs hilf- und wehrlos wirkt. Dies gilt um so mehr, wenn man den Gesamtkontext der Berichterstattung und die zugleich veröffentlichten Bildnisse, z. B. aus der V. -Werbung, heranzieht, die dem von der Antragstellerin gepflegten Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit entsprechen.“