Bestandsaufnahme
Eine einheitliche Linie der Rechtsprechung lässt sich derzeit noch nicht erkennen. Auf der einen Seite stehen die Entscheidungen des LG Köln (Urteil vom 06.10.2005 – Aktenzeichen 31 O 8/05 sowie Beschluss vom 31.01.2006 – Aktenzeichen 33 O 34/06), OLG Köln (Urteil vom 24.05.2006 – Aktenzeichen 6 U 200/05), OLG Frankfurt a. M. (Urteil vom 12.12.2002 – Aktenzeichen 6 O 130/02) sowie LG Berlin (Urteil vom 16.08.2005 – Aktenzeichen 15 O 321/05), die eine Haftung des Merchants bejahen. 

Den Gegensatz dazu bilden die Entscheidungen des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 03.08.2005 – Aktenzeichen 315 O 296/05) sowie des LG Frankfurt a. M. (Urteil vom 15.12.2005 – Aktenzeichen 2/03 O 537/04), die eine Haftung des Merchants ablehnen. 

Das Landgericht Berlin steht aber auch noch für eine Entscheidung, welche quasi einen „Mittelweg“ einschlägt (Urteil vom 08.02.2006 – Aktenzeichen 15 O 710/05).  Dort wird es zumindest offen gelassen, ob eine Haftung dann nicht eintritt, wenn der Merchant durch seine vertraglichen Regelungen (z. B. durch eine Vertragsstrafe) das Handeln des Affiliate (Versenden von Spam-Mails) unterbunden hat. 

Die entscheidende Frage, mit welcher sich diese Gerichte zu beschäftigen haben, ist die Frage nach der Mit(störer)haftung des Merchants. Es geht dabei um die Auslegung der § 14 Abs. 7 MarkenG sowie § 8 Abs. 2 UWG. Fraglich ist, ob die Affiliates als „Beauftragte“ im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind. Beauftragter in diesem Sinne ist, wer ohne Mitarbeiter zu sein, im oder für das Unternehmen eines anderen aufgrund eines vertraglichen oder anderen Verhältnisses tätig ist. Erforderlich ist, dass der Dritte in die Betriebsorganisation dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugute kommt und andererseits dem Unternehmensinhaber ein bestimmender Einfluss auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Insbesondere das OLG Köln setzt sich mit dieser Frage sehr detailliert auseinander. Es stellt darauf ab, dass der Affiliate es im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses übernommen habe, gegen Provision für den Merchant zu werben. Dabei konnte der Affiliate selbst sowohl über Anzahl und Zeitpunkt der Werbemaßnahmen als auch über den jeweiligen Inhalt und die Art und Weise der Werbung bestimmen. Der Merchant habe sich im Übrigen im Rahmen seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des Affiliates gesichert.

Soweit man den Affiliate als Beauftragten ansieht, stellt sich die Frage, ob damit automatisch eine Haftung des Merchants eintritt. 

Das OLG Frankfurt geht davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob der Merchant die Verletzungshandlung durch geeignete Vorkehrungen hätte verhindern können. Die Regelung in § 8 Abs. 2 UWG sowie § 14 Abs. 7 Markengesetz begründen danach eine Haftung für Dritte ohne Entlastungsmöglichkeit. Dies hat der BGH bereits zweimal bestätigt (BGH GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler). Mit anderen Worten: 

Wenn man Affiliates als Beauftragte des Merchants einstuft und das Verhalten des Affiliates einen Wettbewerbs- bzw. Markenrechtsverstoß darstellt, gibt es für den Merchant kein Entrinnen. Er kann sich also nicht darauf berufen, dass er zu viele Affiliates hat und diese nicht allesamt kontrolliert werden können oder dass in der Vergangenheit noch kein Wettbewerbsverstoß begangen worden sei. 

Wie kommen nun die abweichenden Entscheidungen zustande, welche eine Haftung des Merchants verneinen? 

Bei der Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 03.08.2005 – Aktenzeichen 315 O 296/05) wird dieser Aspekt nicht erkannt. Das Gericht setzt sich vielmehr ausschließlich mit der Frage der Störerhaftung des Merchants auseinander. In der Tat ist es zweifelhaft, ob der Merchant selbst als Störer angesehen werden kann. Das Gericht setzt sich im Folgenden dann leider nicht mit der Frage auseinander, ob die Affiliates als Beauftragte des Merchants einzustufen sind. Aus diesem Grunde ist die Entscheidung des Landgerichts Hamburg mit äußerster Vorsicht zu genießen. 

Das Landgericht Frankfurt a. M. hat diesen Aspekt hingegen erkannt. Allerdings beschränken sich die Ausführungen zur Frage des § 8 Abs. 2/§ 14 Abs. 7 Markengesetz auf zwei Sätze: 

Der Kläger ist auch nicht für die von seinen Werbepartnern – Herrn (…) und der Firma (…) – begangene Markenverletzung verantwortlich. Bei diesen handelt es sich weder um weisungsgebundene Angestellte noch sonstige Beauftragte des Klägers, insbesondere wurden sie im Rahmen des so genannten Affiliate-Marketing nicht dessen Vertragspartner.“

Auch hieraus lassen sich keine Argumente dafür ableiten, dass Affiliates keine Beauftragten des Merchants sind. 

Die Entscheidung des OLG Köln ist nicht rechtskräftig geworden, sondern steht zur Entscheidung beim BGH an, AZ I ZR 109/06. Der BGH hat insbesondere in seiner „Franchise-Nehmer“ Entscheidung vom 05.04.1995 (1 ZR 193/93) ausführlich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung für einen Beauftragten in Betracht kommt. Der BGH stellt folgende Voraussetzungen auf: Die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, muss innerhalb des Betriebsorganismus des Betriebsinhabers begangen worden sein. Zweitens ist erforderlich, dass der Handelnde (hier: der Affiliate) kraft eines Rechtsverhältnisses in diesen Organismus dergestalt eingegliedert ist, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Betriebsinhaber zugute kommt und andererseits dem Betriebsinhaber ein bestimmender Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt wird, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. So sind beispielsweise auch Lieferanten und Zwischenhändler, aber auch selbständige Handelsvertreter oder eine Werbeagentur als Beauftragte angesehen worden. Auch die Literatur geht von einer weiten Auslegung des Beauftragten-Begriffs aus. Dazu wird insbesondere der Zweck der Norm als Begründung herangezogen. So wird auf das Schutzbedürfnis des Verletzten, die Erweiterung des Geschäftskreises die Beherrschung des Gefahrenkreises und die Beherrschung der Beweislage abgestellt.  Letztlich sind insbesondere sog. Interessenwahrungsverhältnisse erfasst, wie sie beispielsweise bei Vertragshändlern, Franchisenehmern und Gelegenheitsagenten der Fall ist. Man findet folgende Formel: Beauftragter ist, wer als gesetzlicher Vertreter oder mit Wissen und Wollen des Betriebsinhabers betriebliche Aufgaben wahrnimmt. Zu den betrieblichen Aufgaben zählt auch die Werbung für den Betrieb.

Vor diesen Hintergrund ist der Affiliates als Beauftragter des Merchants einzustufen. Argumente dafür, weshalb hier der Merchant nicht als Beauftragter anzusehen ist, sind nicht ersichtlich.

Praktische Konsequenz
Merchants muss daher dringend empfohlen werden, durch geeignete Maßnahmen auf ihre Affiliates einzuwirken, um Marken- und Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Wenn erst einmal ein Verstoß begangen wurde, droht derzeit eine Verurteilung des Merchants. 

Auch wenn man durch nachfolgende Hinweise eine Haftung im Einzelfall nicht verhindern lässt, so sollte man möglichst wenig Angriffsfläche bieten: 

  • Mitteilung an Affiliates einer Black List, die diejenigen Keywords enthält, die keinesfalls geschaltet werden sollen, weder als Anzeige noch als generisches Suchergebnis.
    Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei festgestellten Verstößen (auch ohne Abmahnung durch Dritte)
  • Haftungsvereinbarung mit dem Affiliate bei Inanspruchnahme durch Geschädigte (Markeninhaber, Wettbewerber)
  • Bonitätsprüfung der Affiliates (wg. der Vielzahl der Affiliates allerdings schwierig umzusetzen)
     

Zukunft des Affiliate-Marketings
Durch eine derartige Rechtsprechung hängt über den Merchants ständig das Damoklesschwert einer Abmahnung. Damit droht die Geschäftsidee des Affiliate-Marketings erstickt zu werden. Es drängt sich  daher die Frage auf, ob nicht dennoch ein Schlupfloch für die Merchants besteht. Dieses kann allenfalls im Bereich der Verwirkung der Vertragsstrafe im Rahmen der Unterlassungserklärung bzw. im Rahmen der Zwangsvollstreckung bei einem Ordnungsmittelantrag gem. § 890 ZPO zu finden sein. 

Wenn ein Merchant aufgrund einer berechtigten Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgibt, so ist die Vertragsstrafe nur bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung fällig. Anders als bei der Haftung für Beauftragte ist hier also ein Verschuldenselement vorhanden. Entsprechendes gilt auch bei einem sog. Bestrafungsantrag gem. § 890 ZPO. Auch dort prüft das Gericht, ob gegen die Einstweilige Verfügung oder das Urteil schuldhaft verstoßen wurde.

Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass der Merchant wettbewerbs- und markenrechtlich für Verstöße seines Affiliates haftet. Eine entsprechende Unterlassungserklärung sollte daher nur für schuldhafte Zuwiderhandlungen abgegeben werden. Im Rahmen der Prüfung eines Vertragsstrafeanspruchs bzw. im Vollstreckungsverfahren ist dann zu prüfen, ob eine schuldhafte Verletzung des Merchants vorliegt. Dann kommen Wertungsgesichtspunkte hinzu, die dem Merchant die Chance geben, sein Geschäftsmodell fortzuführen. Außerdem beschränkt sich die Vertragsstrafe bzw. der Unterlassungstenor auf den konkreten Rechtsverstoß. 

Die bisherige Rechtsprechung der Gerichte stellt keinen Freibrief für die Affiliates dar. Diese sind es vielmehr in erster Linie, die den Marken- bzw. Wettbewerbsverstoß begangen haben und dafür haften müssen. Es ist allerdings so, dass in der Regel die Merchants verklagt werden, da diese ihrerseits für die Verstöße der Affiliates haften und man damit einen viel effektiveren Angriffspunkt besitzt. Der Dritte will ganz einfach nicht ständig hinter einer Vielzahl von verschiedenen Affiliates „hinterherlaufen“, um seine Rechte durchzusetzen. Hinzu kommt, dass diese Vorgehensweise mit erheblichen Prozessrisiken verbunden ist. Was hilft dem Dritten ein gerichtlicher Unterlassungstitel, wenn er wegen Insolvenz des Affiliates die Kosten des Rechtsstreits selbst zu tragen hat? 

Den Affiliates droht aber auch noch von ihren Merchants eine Inanspruchnahme auf Unterlassung und Schadensersatz. In vielen entsprechenden Verträgen ist eine Vertragsstrafe bereits vereinbart. Spätestens durch die Urteile des LG sowie OLG Köln, des LG Berlin sowie des OLG Frankfurt ist den Merchants eine entsprechende Handlungsweise in jedem Falle anzuraten. Im Übrigen sollte ein entsprechender Freistellungsanspruch für Schadenersatzansprüche gegenüber Dritten zwischen dem Merchant und dem Affiliate vereinbart werden.

Die Zukunft des Affiliates-Marketings ist zwar problematisch, aber keineswegs hoffnungslos. Auch wenn der BGH zu einer grundsätzlichen Haftung des Merchants für seine Affiliants kommen sollte, droht dem Affiliate-Marketing nicht das grundsätzliche Aus. Durch sorgfältige Risikoanalyse und ein entsprechendes Management können die Gefahren des Merchants durch das Wettbewerbs- und Markenrecht begrenzt werden.