Rechtsnormen: § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB

Mit Urteil vom 05.09.2013 (Az. 10 O 170/12) hat das Landgericht Mönchengladbach die Klage eines Geschichtsprofessors abgewiesen, der von Google die Entfernung von aus seiner Sicht beleidigenden Suchergebnissen verlangte.

Zum Sachverhalt:

Kläger ist ein emeritierter Düsseldorfer Geschichtsprofessor. Er ist Mitglied des Landesvorstandes einer politischen Partei. Gibt man seinen Namen bei Google ein, werden mehrere Artikel angezeigt. So erscheint unter anderem auch in einem angezeigten Blog-Portal ein Eintrag, der den Kläger als „Teil des bundesdeutschen Stasi-Netzwerkes“ (Artikel-Überschrift) bezeichnet. Im Verlauf des Artikels wird erläutert, der Kläger sei „seit 1994 Leiter einer Forschungsstelle für Rechtsextremismus gewesen, womit man den Bock zum Gärtner gemacht“ habe. Er sei „inzwischen als Leiter der „Forschungsstelle“ abgesetzt worden, (…) damit der Ruf dieser Einrichtung durch Personen wie ihn nicht weiter Schaden nimmt“. Als Kontaktadresse ist die E-Mail-Adresse des Autors mit angegeben. Der Name des Autors ergibt sich aus der Übersicht „Aktuelle Beiträge“. Der Seitenbetreiber lässt sich anhand der AGB des Blog-Services ermitteln. Auch werden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit dem Seitenbetreiber angeboten, um rechtsverletzende Beiträge melden zu können.

Der Kläger nimmt den Internetsuchmaschinenbetreiber Google auf Unterlassung in Anspruch, da der Eintrag seiner Ansicht nach unwahre Tatsachenbehauptungen enthalte, an denen der Suchmaschinenbetreiber als Störer zurechenbar mitwirke. Google beantragt Klageabweisung.

Das Landgericht Mönchengladbach entschied nun zugunsten des „Internet-Riesen“ und wies die Klage ab. Zur Begründung führt das Gericht aus:

Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts steht dem Kläger nicht zu.

1.) Die beanstandete Persönlichkeitsrechtsverletzung ist nicht durch die Beklagte erfolgt. Sie ist damit nicht Störerin und deshalb auch nicht zur Unterlassung verpflichtet. Störer ist nur, wer in zurechenbarer Weise durch sein Verhalten eine Ursache für die Rechtsverletzung setzt. Dies hat die Beklagte nicht getan. Sie hat unstreitig den beanstandeten Text nicht verfasst. Ebenso unstreitig befindet er sich nicht auf einem von ihr betriebenem Internetdienst. Insbesondere ist sie nicht Hostprovider des Blogs, in dessen Rahmen der Text verbreitet wurde (so aber in BGH VI ZR 93/10- zit. nach Juris). Die Beklagte beschränkt sich vielmehr auf das reine Bereitstellen von Suchergebnissen aufgrund eines technisch-mathematischen Vorgangs. Damit verbreitet sie keine Äußerungen, sondern listet nur das auf, was im Internet an anderer Stelle in Bezug auf den Kläger zu finden ist. Eine eigene Bewertung nimmt sie hier auch nicht im Rahmen der Suchwortergänzungsfunktion vor, bei der ein von ihr geschaffenes Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und dem Benutzer bei Eingabe bestimmter Worte oder Namen Vorschläge unterbreitet werden (dazu BGH VI ZR 269/12 – zit nach Juris). Der Kläger trägt vielmehr nichts dazu vor, dass bei Eingabe seines Namens eine Verknüpfung mit einer der beanstandeten Äußerungen stattfindet. Die beanstandeten Äußerungen finden sich nicht einmal in den sog. „Snippets“, d.h. in den unter dem Titel der URL auf der Suchergebnisseite ausgewiesenen der konkreten URL entnommenen Textschnipseln (vgl. dazu Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – zit. nach Juris). Diese lauten vielmehr ausweislich des vom Kläger vorgelegten Screenshots (Bl. 7 d.A.) nur……“. Weder die Verknüpfung mit einem Stasi-Netzwerk noch die Angaben zur Beendigung seiner Tätigkeit bei der Fachhochschule finden sich also in diesen „Snippets“. Die Beklagte stellt vielmehr ohne jede eigene redaktionelle Bewertung nur das Suchergebnis als eines unter mehreren bereit. Eine zurechenbare Mitwirkung an der Ehrverletzung des Autors oder des Hostproviders als unmittelbaren Störern liegt darin nicht.

2.) Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man dies anders sähe und das Generieren und Bereitstellen von Suchergebnissen für die Störereigenschaft genügen ließe, kein Unterlassungsanspruch bestünde. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die §§ 185 ff StGB schützen nämlich nicht vor jeglichen Äußerungen, die eine bestimmte Person betreffen. Vielmehr lösen nur Äußerungen einen Unterlassungsanspruch aus, die nach einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung als widerrechtlich erscheinen. Dies ist hier nicht der Fall, denn nach dem vorgetragenen Sachverhalt überwiegt das Interesse der Beklagten an einem wirtschaftlich sinnvollen Betrieb der Internetsuchmaschine das Interesse des Klägers, den beanstandeten Link nicht mehr anzuzeigen, weit.

Die Anzeige von Suchergebnissen aufgrund rein mathematischer Vorgänge ohne eigene inhaltliche Bewertung stellt den Kern der wirtschaftlichen Betätigung eines Suchmaschinenbetreibers dar. Der Nutzer verlässt sich gerade darauf, dass die Ergebnisse seiner Suche „neutral“, d.h. ohne eigene redaktionelle Bearbeitung des Suchmaschinenbetreibers, ausgeworfen werden. Würde bekannt, dass bestimmte Ergebnisse zuvor aussortiert und nicht mehr angezeigt würden, würde dies nicht nur die Verlässlichkeit der Suche aus Nutzersicht zweifelhaft machen, sondern den Betreiber auch sehr schnell in den Ruf der „Zensur“ bringen. Sinn und Zweck einer Suchmaschine, die nicht darin besteht, eigene Bewertungen vorzunehmen, sondern darin, fremde Inhalte nachzuweisen, würde daher durch auf dem Inhalt bestimmter Textseiten gründende Unterlassungsansprüche ganz empfindlich eingeschränkt (vgl. Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – Rn 113, zit. nach Juris). Entsprechendes gilt für die Pressefreiheit des Internets, die auch einem Suchmaschinenbetreiber zusteht (Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – Rn. 126, zit. nach Juris). Hinzu kommt, dass es für die Beklagte eines immensen personellen und materiellen Aufwands bedürfen würde, Suchergebnisse auf einen sogar erst im verlinkten Text enthaltenen ehrverletzenden Inhalt zu untersuchen (vgl. Hanseatisches OLG -3 U 67/11 – Rn 126, zit. nach Juris). Im Ergebnis würde durch derartige Unterlassungsansprüche der Betrieb einer Internetsuchmaschine im vom Nutzer erwarteten Umfang nahezu unmöglich. Damit stünde die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten insgesamt in Frage.

Die Interessen des Klägers überwiegen dieses Interesse nicht. Dagegen spricht schon, dass eine Entfernung des Suchergebnisses durch die Beklagte nichts daran ändern würde, dass der Text sich weiterhin im Internet befindet und über andere Suchmaschinen nach wie vor auffindbar bleibt. Die Ehrverletzungen blieben also auch bei Entfernung des URL durch die Beklagte erhalten. Demgemäß ist auch nicht auszuschließen, dass dem Kläger ein verlässlicherer und sowohl die Freiheit des Internets im Rahmen der Pressefreiheit als auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten weniger belastender Weg zur Wahrung seines Persönlichkeitsrechts zur Verfügung steht. Er ist ehrverletzenden Äußerungen im Internet keineswegs schutzlos ausgeliefert, sondern er kann sowohl den Verfasser des Textes als auch den Host-Provider als Störer in Anspruch nehmen, was zur Entfernung des Textes aus dem Netz führen und damit die Störung unmittelbar beseitigen würde. Dies hat er aber, wie bis zur mündlichen Verhandlung unstreitig war, nicht getan. Unter diesen Umständen ist eine Haftung der Beklagten unzumutbar.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung hat ausführen lassen, er habe eine Inanspruchnahme des Verfassers und des Hostproviders versucht, kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen verspätet ist. Es ist nämlich auch ungenügend und beweislos, was zu Lasten des Klägers geht, da er als Anspruchssteller die Widerrechtlichkeit der Störung darzulegen und zu beweisen hat. Ein gesonderter Hinweis hierauf war, da das Vorbringen erst in der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2013 erfolgte nicht möglich. Die Hinweispflicht gebietet auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Beklagte stets darauf hingewiesen hat, dass die Inanspruchnahme dieser Störer vorrangig sei, und mangels anderen Vortrags davon auszugehen sei, dass der Kläger dies nicht einmal versucht habe. Die Reaktion darauf erst in der mündlichen Verhandlung, obwohl die Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu diesem Zeitpunkt schon ein Jahr her war, ist derart grob nachlässig, dass das Gericht, wertete es das Vorbringen als hinreichend, von Verspätung ausgehen müsste. Ein zur Verzögerung durch eine Wiedereröffnung führender Hinweis ist deshalb nicht geboten.

Das Vorbringen des Klägers ist ungenügend. Zur Inanspruchnahme des Verfassers trägt der Kläger nur vor, der im beanstandeten Text bezeichnete Verfasser sei ein …. Journalist, der abstreite, den Text verfasst zu haben. Dies stellt der Kläger jedoch schon nicht unter Beweis. Ebenso wenig stellt er hinreichend unter Beweis, dass der wahre Verfasser nicht ermittelt werden konnte. Hierzu legt er vielmehr nur die ein Jahr alte Einstellungsmitteilung betreffend eine Strafanzeige wegen Verleumdung der Staatsanwaltschaft Aachen vom 31.07.2012 vor (Bl. 184 d.A.). Dieser ist nicht einmal zu entnehmen, dass der hier beanstandete Text Gegenstand der Strafanzeige war. Dass und gegebenenfalls welche Ermittlungen die Staatsanwaltschaft vorgenommen hat, um den Verfasser zu ermitteln, ergibt sich daraus ebenso wenig. Eigene Ermittlungen vorgenommen zu haben, behauptet der Kläger nicht einmal. Insbesondere trägt er nicht vor, worauf die Beklagte zu Recht bereits mehrfach verwiesen hat, über die im Blog angegebene E-Mail-Adresse die Kontaktaufnahme zum Verfasser versucht zu haben.

Ebenso hat das Gericht davon auszugehen, dass eine Inanspruchnahme des Hostproviders nach wie vor möglich ist. Dieser ist, wenn ihm ein beanstandeter Inhalt gemeldet wird, verpflichtet zum Blogautor Kontakt aufzunehmen, und den beanstandeten Text zu entfernen, sollte der Autor nicht reagieren (vgl. BGH VI ZR 93/10 – zit nach Juris). Auf diesem Weg die Entfernung des Eintrags zu erreichen, ist daher besonders einfach, da schon die mangelnde Reaktion des Autors unter seinen Kontaktdaten genügt, der Autor also nicht ermittelt werden muss. Hierzu räumt der Kläger aber sogar ein, dass er den von ihm nun behaupteten Versuch der Inanspruchnahme des Hostproviders mangels Screenshots nicht beweisen kann. Auch insoweit ist zudem sein Vorbringen zudem ungenügend, weil nicht einmal vorgetragen wird, wie diese Kontaktaufnahme erfolgte. Insbesondere trägt der Kläger nicht vor, welchen Text er in das vom Host vorgesehene Beschwerdeformular eingegeben hat, so dass auch nicht ersichtlich ist, ob dieser dem eine Rechtsverletzung entnehmen konnte. Dass der Kläger in sonstiger Weise an …….. herangetreten ist, insbesondere schriftlich, trägt er ebenso wenig vor. Aus seinem Vorbringen kann das Gericht daher nicht feststellen, ob die angebliche Beschwerde des Klägers dem Hostprovider Anlass zur Überprüfung und gegebenenfalls zur Entfernung des Blogeintrags geben musste.

Unter diesen Umständen muss die Interessenabwägung dazu führen, dass der Kläger die begehrte Unterlassung nicht von der Beklagten verlangen kann, da dies ein ihre wirtschaftliche Betätigung unzumutbar beeinträchtigender Eingriff wäre, während der Kläger damit den erstrebten Erfolg nur eingeschränkt erzielen kann und die endgültige Beseitigung zumutbar von den an der Rechtsverletzung unmittelbar Beteiligten erlangen kann. Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte besteht deshalb nicht.“

Kommentar: Ein inhaltlich nicht überzeugendes Urteil. Dies beginnt schon damit, dass das Gericht den Unterschied zwischen Täter und Störer nicht erkennt. Dass man als Betroffener zunächst den Täter in Anspruch nehmen muss, bevor man sich an den Störer wendet, ist auch neu und nicht nachvollziehbar. Das führt zu weiteren Fehlern. Denn der Störer muss ja gerade nicht von sich aus präventiv Rechtsverletzungen verhindern. Er haftet vielmehr erst ab Inkenntnissetzung über die Rechtsverletzung. Und ein einzelnes Suchergebnis zu löschen dürfte weder einen großen Aufwand darstellen noch das Geschäftsmodell von Google beeinträchtigen. Inhaltlich hat sich das Gericht dann folgerichtig gar nicht mit der Frage beschäftigt, ob überhaupt eine Beleidigung vorliegt.