Rechtsnorm: EU-VO Nr. 44/2001

Mit Urteil vom 25.10.2011 (Az. C-509/09 und C-161/10) hat der EuGH entschieden, dass die Opfer einer über das Internet begangenen Persönlichkeitsverletzung wegen des gesamten entstandenen Schadens die Gerichte ihres Wohnsitzmitgliedstaats anrufen können. In diesem Zusammenhang darf der Betreiber einer Website, für die die Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr gilt, aber in dem Staat der Klageeinreichung keinen strengeren als den im Recht seines Sitzmitgliedstaats vorgesehenen Anforderungen unterworfen werden.

Zum Sachverhalt:

Der Mörder von Walter Sedlmayr (Kläger) wurde 1993 in Deutschland zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Anfang 2008 erfolgte seine Entlassung auf Bewährung. Unter der Webadresse inbow.at betreibt die in Österreich sitzende Gesellschaft eDate Advertising (Beklagte) ein Internetportal, auf dem sie über die Rechtsbehelfe des Mörders gegen seine Verurteilung berichtete. Obwohl die Beklagte die Meldung über das Verfahren entfernte, klagte der Kläger bei deutschen Gerichten auf Unterlassung. Der österreichischen Beklagten sollte es aufgegeben werden, es zu unterlassen, über den Kläger im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berichten.

Streitgegenständlich war vor dem EuGH nun die Frage, ob überhaupt ein deutsches Gericht für die Frage zuständig ist. Die Beklagte rügte in diesem Zusammenhang die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung und vertritt die Ansicht, der Kläger müsse – wenn überhaupt – vor einem österreichischen Gericht klagen.

Der EuGH löst den Fall nun dahingehend, dass er zwischen der gebietsabhängigen Verbreitung von Zeitungen und Zeitschriften sowie der gebietsunabhängigen Verbreitung von Internetveröffentlichungen unterscheidet. Die Inhalte von Online-Veröffentlichungen könnten demnach von einer unbestimmten Zahl von Internetnutzern überall auf der Welt unmittelbar abgerufen werden. Daraus folgt das höchste europäische Gericht:

„Somit könne die weltumspannende Verbreitung zum einen die Schwere der Verletzungen von Persönlichkeitsrechten erhöhen, und zum anderen sei es dadurch sehr schwierig, die Orte zu bestimmen, an denen sich der Erfolg des aus diesen Verletzungen entstandenen Schadens verwirklicht hat. Unter diesen Umständen – und da die Auswirkungen eines im Internet veröffentlichten Inhalts auf die Persönlichkeitsrechte einer Person am besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden können, an dem das Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat – erklärt der Gerichtshof dieses Gericht für zuständig, über den gesamten im Gebiet der Europäischen Union verursachten Schaden zu entscheiden. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof klar, dass der Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Interessen hat, im Allgemeinen ihrem gewöhnlichen Aufenthalt entspricht.“

Weiter hebt der EuGH hervor, dass einOpfer einer solchen Veröffentlichung anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten Schadens auch die Gerichte jedes Mitgliedstaats anrufen kann, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war.“

In einem solchen Fall seien die Gerichte wie bei Schäden durch ein Druckerzeugnis nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Staates entstanden ist, in dem sie ihren Sitz haben. Zusätzlich könne die verletzte Person wegen des gesamten entstandenen Schadens auch die Gerichte des Mitgliedstaats anrufen, in dem der Urheber der im Internet veröffentlichten Inhalte niedergelassen ist.