Rechtsnorm: Art. 8 Abs. 1 lit. b EG-VO Nr. 40/94; jetzt: Art. 8 Abs. 1 lit. b EG-VO Nr. 207/2009

Das EuG hat mit Urteil vom 09.06.2010 (Az. T-138/09 (HABM)) entschieden, dass zur Verwechslungsgefahr schon eine geringe Ähnlichkeit der Waren genügt, wenn hochgradig ähnliche Marken aufeinander treffen. Eine Verwechslungsgefahr zwischen der Gemeinschaftsmarke und einer der nationalen Marke entsprechenden, neu angemeldeten Gemeinschaftsmarke ist nicht durch das Bestehen einer älteren nationalen Marke neben einer ähnlichen jüngeren Gemeinschaftsmarke ausgeschlossen.

Zum Sachverhalt:

Es klagte ein Essighändler, der unter der in Spanien eingetragenen nationalen Marke „Riojavina“ Essig vertreibt und 2004 beim HABM u.a. für Essig eine entsprechende Gemeinschaftswortmarke anmeldete, gegen einen Widerspruch gegen diese Anmeldung. Der Widersprechende begründet seinen Widerspruch mit seiner eigenen seit 1996 für „Wein“ eingetragenen Gemeinschaftskollektivmarke „Rioja Consejo Regulador Denominacion Origen Calificada“. Das HABM gab dem Widerspruch wegen eines relativen Eintragungshindernisses iSd Art. 8 Abs. 1 lit. b EG-VO Nr. 40/94 statt. Demnach liege eine Verwechslungsgefahr vor, da sowohl Wein und Essig als auch die kollidierenden Marken eine Ähnlichkeit aufwiesen. Die Beschwerdekammer des HABM wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.

Das EuG weist die gegen die Entscheidung der HABM-Beschwerdekammer erhobene Klage zurück. So geht auch das EuG von einer Verwechslungsgefahr der kollidierenden Marken aus. Diese sei auf die  Ähnlichkeit der Produkte bei gleichzeitiger erheblicher Ähnlichkeit der Marken zurückzuführen. Wein und Essig wiesen demnach eine Vielzahl von Berührungspunkten auf (beides Lebensmittel; begriffliche, klangliche und auch visuelle Ähnlichkeit; dominierender Bestandteil beider Marken „Rioja“). Auch die Existenz der älteren nationalen Marke des Klägers könne eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, insbesondere da gerade nicht auf die nationalen Verkehrskreise abgestellt werden könne. Es komme im vorliegenden Fall europäischer Dimension auf die entsprechenden Verkehrskreise der gesamten Europäischen Union an.

Das Gericht führt aus:

Was (…) die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr betrifft, impliziert diese eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht ebenso wie die Beschwerdekammer der Ansicht, dass der geringe Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch den hohen Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken ausgeglichen wird, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, dass der Essig und die Vermarktungsdienstleistungen für Essig, die unter der Marke RIOJAVINA angeboten werden, dieselbe betriebliche Herkunft haben wie die unter der älteren Gemeinschaftsmarke Nr. 226118 vertriebenen Weine.“

Kommentar:

Vorliegende Entscheidung verdeutlicht, dass selbst bei einer langjährig im nationalen Markt eingeführten Marke nicht davon ausgegangen werden darf, dass sie auf EU-Ebene nicht mit älteren Marken verwechselbar ist. Gerade angesichts der wachsenden EU ist die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer Verwechslungsgefahr deutlich höher als noch vor einigen Jahren, da die entsprechenden Verkehrskreise wachsen und somit die im nationalen Verkehrskreis wegen der jeweiligen Produktbekanntheit vorliegende Unterscheidbarkeit EU-weit wohl deutlich schwächer ausfallen kann.