Mit Entscheidung vom 14.07.2011 (Az. T-190/06, T-189/06) hat das Gericht der Europäischen Union die gegen Arkema France und deren Muttergesellschaften, Total und Elf Aquitaine, verhängten Geldstrafen wegen Beteiligung an einem Wasserstoffperoxid- und Natriumperborat-Kartell bestätigt. Das Gericht bestätigt darüber hinaus seine ständige Rechtsprechung, wonach die Verhängung einer Geldbuße an die Muttergesellschaft zu richten ist, wenn diese das gesamte Kapital der Tochter hält, da die Vermutung nahe liege, dass die Tochter ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimme. Eine persönliche Mitwirkung an der Zuwiderhandlung sei für eine Haftung nicht erforderlich, wenn das Unternehmen seine Beteiligung nicht substantiiert widerlegen könne.

Zum Sachverhalt:

Bereits Mitte 2006 verhängte die EU-Kommission gegen mehrere Gesellschaften wegen Bildung und Beteiligung an einem Kartell im Sektor Wasserstoffperoxid und Natriumperborat (Bleichmittel) Geldbußen iHv insgesamt 388,13 Millionen Euro (COMP/F/38.620 – ABl. 2006, L 353, 54 „Wasserstoffperoxid und Perborat“). Auch Arkena France SA und deren Muttergesellschaften (Elf Aquitaine SA und Total SA) gehörte zu den mit Geldbußen belegten Unternehmen. Die beteiligten Unternehmen tauschten insbesondere gegenseitig vertrauliche Markt- und Unternehmensinformationen aus, durch die eine Kontrolle des Marktes ermöglicht wurde. Hierzu zählten eine gezielte Produktionsregulierung, die Aufteilung von Märkten, die Zuteilung von Abnehmern und die Festsetzung und Überwachung der Preise. Arkema nahm nachweislich im Zeitraum Mitte 1995 bis Ende 2000 an der Zuwiderhandlung teil. Infolgedessen verhängte die Kommission gegen Arkema eine Geldbuße iHv 78,66 Millionen Euro. Haftbar gemacht wurde Elf Aquitaine, die während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung zu als 96% an Arkema beteiligt und somit Haupteigner der Gesellschaft war (gesamtschuldnerische Haftung iHv 65,1 Millionen Euro).  Total war zwischen 04/2000 und Ende 2000 zu mehr als 99% an Elf Aquitaine beteiligt und somit beinahe Alleingesellschafter. Sie wurde daher gesamtschuldnerisch für die Zahlung iHv 42 Millionen Euro haftbar gemacht.

Gegen die Kommissionsentscheidungen legten alle betroffenen Gesellschaften Klage beim Gericht der Europäischen Union auf Nichtigerklärung, jedenfalls Herabsetzung der Geldbußen ein.

Das EuG wies die Klagen nun ab und bestätigte die verhängten Geldbußen.

Mit Pressemitteilung vom 14.07.2011 führt das EuG zu den Gründen aus:

Das EuG verweist u.a. auf die Vermutung, wonach eine Tochtergesellschaft, deren Kapital vollständig von ihrer Muttergesellschaft gehalten wird, ihr Marktverhalten nicht selbstständig bestimmt. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission in einer solchen Situation eine Entscheidung über die Verhängung einer Geldbuße an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Mitwirkung an der Zuwiderhandlung dazutun ist, sofern dieses Unternehmen keine zur Widerlegung der Vermutung ausreichenden Beweise beibringt. Das EuG weist darauf hin, dass diese Rechtsprechung nur den Fall betrifft, dass eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält. Es stellt jedoch fest, dass Total und Elf Aquitaine, die nur praktisch das gesamte Kapital hielten, keine Einwände dagegen erheben, dass diese Beweisregelung zur Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft in den beiden Fällen angewandt wird. Das EuG ist der Auffassung, dass das Vorbringen von Total und Elf Aquitaine nicht durch konkrete Beweismittel für die Autonomie ihrer Tochtergesellschaft belegt war, sondern aus bloßen Behauptungen bestand, die offensichtlich nicht als hinreichendes Indizienbündel zur Widerlegung der Vermutung der Zurechenbarkeit angesehen werden konnten. Das EuG entscheidet demnach, dass die Kommission mit der Entscheidung, Total und Elf Aquitaine die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft zuzurechnen, keinen Fehler begangen hat.