Rechtsnormen: § 307 BGB, § 305 c BGB

Mit Urteil vom 30.10.2013 (Az. 26 O 211/13) hat das Landgericht Köln entschieden, dass die von der Deutschen Telekom beabsichtigte Drosselung von Internet-Flatrates für Bestandskunden durch AGB-Änderung unzulässig ist.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, beantragt die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln durch die beklagte Telekom. Hintergrund ist die zum 02.05.2013 erfolgte Änderung der Leistungsbeschreibung, die zunächst für neue Verträge wirksam werde. Erst 2016 soll auch für bestehende Verträge die Drosselung des Datenvolumens ab einer bestimmten Datenmenge durchgesetzt werden. In der Leistungsbeschreibung zum Angebotspaket „Call & Surf“ heißt es unter Punkt 2.3. (Datenvolumen):

„Ab dem im Folgenden für das jeweilige Produkt aufgeführten übertragenen Datenvolumen (Down- und Upload) wird die Übertragungsgeschwindigkeit des Internet-Zugangs auf 384 kbit/s (Down- und Upload) begrenzt. Die Zählung des übertragenen Datenvolumens beginnt jeden Monat mit dem Kalendertag der betriebsfähigen Bereitstellung des aktuellen Call & Surf-Produktes. Am gleichen Kalendertag des Folgemonats wird eine gegebenenfalls erfolgte Begrenzung wieder aufgehoben.“

Der Kläger ist der Auffassung, die Klauseln seien unzulässig und verstießen insbesondere gegen § 307 Abs. 1 iVm Abs. 2 Nr. 2 BGB. Durch die Klauseln müsse ein DSL-Flatrate-Kunde mit einer erheblichen Reduzierung seiner ihm gebotenen Leistung rechnen, infolgedessen eine zweckmäßige Nutzung des Internets nicht mehr möglich sei. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 BGB dar.

Das Gericht folgte nun der klägerischen Ansicht und verurteilte die Telekom antragsgemäß. Es ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Klausel, wonach die Übertragungsgeschwindigkeit von der Beklagten bei Erreichung eines bestimmten Datenvolumens auf 2 Mbit/s reduziert werden kann, wegen unangemessener Benachteiligung der Verbraucher gem. §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam und zudem „überraschend“ iSd § 305 c Abs. 1 BGB sei.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Klausel entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB entzogene Bestimmung über den Preis einer vertraglichen Leistung. (…)

Die streitgegenständliche Regelung zur Reduzierung der Übertragungsgeschwindigkeit ab einem bestimmten Datenvolumen ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie wesentliche und sich aus der Natur des Vertrags ergebende Rechte so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), und den betroffenen Kunden deshalb in unangemessener Weise benachteiligt.

Dabei kommt es zunächst maßgeblich auf eine Auslegung des Begriffs „Flatrate“ an. Dieser Begriff ist aus Sicht eines Durchschnittskunden jedenfalls im hier betroffenen Festnetz-Bereich so zu verstehen, dass damit ein Festpreis für den Internetzugang zu einer bestimmten Bandbreitengeschwindigkeit und ohne Einschränkungen bzw. versteckte Kosten gemeint ist. Nach Auffassung der Kammer hat sich das Verständnis des Begriffs „Flatrate“ bei Internetzugangsleistungen über das Festnetz im Unterschied zum Mobilfunkbereich nicht dahingehend geändert, dass damit per se Einschränkungen in Verbindung gebracht werden. Vielmehr geht es dem Durchschnittskunden im Festnetzbereich um eine einschränkungslose Nutzung zu der von dem Telekommunikationsdienstleister angegebenen Geschwindigkeitsbandbreite; die Nutzung des Festnetz-Internetzugangs ist weniger Unwägbarkeiten hinsichtlich störungsfreier Verfügbarkeit unterworfen als die mobile Internetnutzung. Ein typischer Durchschnittskunde erwartet, dass die Nutzung seines häuslichen Internet-Zugangs in Abhängigkeit von Qualität und Aktualität der eingesetzten Hardware einwandfrei funktioniert, insbesondere bei Übertragung sensibler Daten wie etwa im Rahmen von Onlinebanking.

Die erhebliche Verminderung des Leistungsversprechens im Rahmen eines Pauschaltarifs stellt wegen Störung des Äquivalenzverhältnisses und Gefährdung des von dem Kunden mit Abschluss des (V)DSL-Vertrages verfolgten Zwecks eine unangemessene Benachteiligung dar. „VDSL“ steht für „Very High Speed Digital Subscriber Line“ und beschreibt eine spezielle DSL-Technik mit hohen Datenübertragungsraten. Eine erhebliche Verminderung der vertraglich zugesagten Bandbreitengeschwindigkeit liegt hier vor. Nach Ausschöpfung des Datenvolumens und erfolgter Reduzierung der Übertragungsgeschwindigkeit stehen unstreitig weniger als 10 % der ursprünglich vereinbarten Mindestübertragungsgeschwindigkeit zur Verfügung. Wenn eine „Flatrate …mit bis zu … Mbit/s“, d. h. zu einem bestimmten und in Abhängigkeit zur Höhe des Pauschalpreises stehenden Bandbreitenkorridor, Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung ist, dann gefährdet eine Reduzierung der Übertragungsgeschwindigkeit den Vertragszweck, der in einer bis zum Monatsende währenden Nutzungsmöglichkeit des Internets zu der angegebenen Mindestgeschwindigkeit besteht. Dies gilt insbesondere in Zeiten mit stetig steigendem Bedarf an einem schnellen und kontinuierlich leistungsfähigen Internet und betrifft – insbesondere im Hinblick auf das Streaming von Fernsehen und Filmen – ein breites Publikum und nicht lediglich typische „Power-User“. Dass diese Nutzungsmöglichkeit je nach Netzauslastung eingeschränkt sein kann und im Übrigen davon abhängig ist, dass der Verbraucher über die notwendige Hardware auf dem aktuellen und eine schnelle Internetverbindung zulassenden Stand verfügt, bedarf keiner weiteren Erläuterung, ist hier aber auch nicht von Belang. Das Angebot an den Kunden, bei Ausschöpfung des nicht geschwindigkeitsreduzierten Datenvolumens dieses gegen Aufpreis wieder „aufzufüllen“, ändert daran nichts, da dies für den Kunden mit zusätzlichen Kosten verbunden ist und letztlich zu einer unzulässigen Preiserhöhung führt. Auch der Umstand, dass der Internetanbieter nicht einen bestimmten Erfolg in Gestalt des jederzeitigen Zustandekommens einer Internetverbindung mit einer bestimmten Datenübertragungsgeschwindigkeit versprechen kann (BGH NJW 2005, 2076), vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, wenn die Geschwindigkeit – wie hier – von Vornherein für den Fall der Ausschöpfung eines bestimmten Datenvolumens begrenzt werden soll.

Es kommt daher nicht darauf an, wie viel Datenvolumen ein durchschnittlicher Nutzer monatlich „verbraucht“ und ob nur wenige Kunden der Beklagten die in Ziff. 2.3 genannten Datenvolumen ausschöpfen bzw. ob ein „Durchschnittskunde“ der Beklagten, dessen Bestimmung zwischen den Parteien streitig ist, von der Reduzierung überhaupt betroffen sein kann.

Bei der Regelung in Ziff. 2.3 der Leistungsbeschreibung der Beklagten handelt es sich zudem um eine überraschende Klausel, so dass diese gemäß § 305 c Abs. 1 BGB nicht wirksam einbezogen werden kann. Nach dieser Vorschrift werden solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Voraussetzung ist daher zunächst das Vorliegen einer ungewöhnlichen Klausel, welche hier wegen Unvereinbarkeit mit dem Leitbild des Vertrages und Widerspruchs zur Werbung der Beklagten wie bereits erörtert erfüllt ist. Das weitere Erfordernis eines Überraschungsmoments ist gegeben, wenn zwischen den Erwartungen des Durchschnittskunden und dem Klauselinhalt eine Diskrepanz besteht und der Klausel ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt (vgl. zum Ganzen Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 305c Rn. 3 f. m.w.N.). Abs. 1 ist daher nur dann unanwendbar, wenn eine ohne Weiteres zu verstehende Klausel drucktechnisch so angeordnet ist, dass eine Kenntnisnahme durch den Kunden zu erwarten ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Einzig die Überschrift von Ziff. 2.3 der Leistungsbeschreibung „Datenvolumen“ ist fett gedruckt; diese enthält zudem keinen Hinweis auf die erst im Klauseltext angesprochene Reduzierung der Übertragungsgeschwindigkeit. Gerade im Hinblick auf die an eine Festnetz-Flatrate mit einer bestimmten Bandbreitengeschwindigkeit gerichtete Erwartung des Durchschnittskunden hätte es einer drucktechnischen Hervorhebung der Klausel aus dem übrigen Text der Leistungsbeschreibung bedurft. Eine Anwendung von § 305 c Abs. 1 BGB entfällt auch nicht aus dem Grund, dass der Verwendungsgegner die Klausel kennt oder mit ihr rechnen muss (vgl. BGH NJW 2010, 671 zur Ortsüblichkeit). Trotz der öffentlichen Diskussion über die beklagtenseits beabsichtigte Begrenzung der Übertragungsgeschwindigkeit ist nicht davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Kunde Inhalt und Ausmaß der Geschwindigkeitsbegrenzung versteht und kennt; jedenfalls im Festnetzbereich muss er damit auch nicht rechnen.

Die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Klausel-Verwendung als ungeschriebene materielle Anspruchsvoraussetzung liegt vor. Diese ergibt sich daraus, dass die Beklagte die Wirksamkeit der Klausel noch im Prozess verteidigt, diese fortgesetzt verwendet und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat (vgl. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 1 UKlaG, Rn. 8).“