Im Zuge des VW Abgasskandals hat sich herausgestellt, dass viele PKW mit einer Software ausgestattet sind, die die Abgasreinigung manipulieren. Viele Käufer möchten daher ihr Fahrzeug zurückgeben. Es stellt sich daher die Frage, ob dies unter rechtlichen Gesichtspunkten durchsetzbar ist.

Die Rechtsprechung ist im Ausgangspunkt weitestgehend einig, dass ein PKW mit einer entsprechenden Schummel-Software mit einem Mangel behaftet ist. Die Einschätzungen der Gerichte geht jedoch dabei auseinander, ob der Kunde VW bzw. Audi eine Frist zur Nachbesserung setzen muss, bevor er vom Vertrag zurücktreten kann. Dieser Beitrag wird sich mit dieser Frage speziell beschäftigen.

Weiterhin ist für den Kunden bei einer derartig schwierigen Ausgangslage, was die rechtlichen Fragen angeht, Kostendeckungsschutz seines Rechtsschutzversicherers von wesentlicher Bedeutung. Auch da gibt es Schwierigkeiten, die zu überwinden sind. Darauf wird in einem gesonderten Beitrag ebenfalls eingegangen werden.

Das jüngste Urteil, das hierzu ergangen ist, stammt vom Landgericht Krefeld (14.09.2016), Az. 2 O 83/16. In dem dortigen Fall verlangte die Klägerin nach ihrem Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Audi A1 mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von 27.550 € unter Abzug der von ihr in der Klageschrift näher bezeichneten Nutzungsentschädigung von 953,18 €. Beklagte war eine Vertragshändlerin des Pkwherstellers Audi. Sie ist nicht in die Konzernstruktur des Herstellers eingebunden und handelt im eigenen Namen für eigene Rechnung.

In dem gekauften PKW ist ein 2,0 l Dieselmotor vom Typ EA 189 eingebaut, dessen Motorsoftware zur Optimierung der Stickstoffimmissionswerte im behördlichen Verfahren beigetragen hat. Auf dem Rollenprüfstand spielt die eingebaute Software beim Stickstoffausstoß ein anderes Motorprogramm ab als im Normalbetrieb. Hierdurch werden auf dem Prüfstand geringere Stickoxidewerte erzielt. Nur so wurden die nach der Euro 5 Abgasnorm vorgegebenen Stickstoffgrenzwerte eingehalten. Der Hersteller Audi bewirbt den Fahrzeugtyp im Rahmen der Auflistung der technischen Daten mit der Euro 5 Abgasnorm.

Das Gericht geht davon aus, dass der Wagen bei Gefahrübergang einen Mangel aufwies. Es lag eine Abweichung des Ist Zustandes vom Soll Zustand ab, da die Euro 5 Abgasnorm nicht erfüllt wurde. Das Gericht setzt sich dabei detailliert mit der Argumentation des Händlers auseinander, dass gar keine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet worden wäre.

Von ganz wesentlicher Bedeutung sind die Ausführungen des Gerichts zu der Frage, dass die Klägerin der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung setzen musste. Diese war gemäß § 440 Satz 1 Mod 3 BGB wegen Unzumutbarkeit entbehrlich. Dabei stellt das Gericht insbesondere darauf ab, dass sie Unzumutbarkeit sich aus der begründeten Befürchtung ergibt, dass das beabsichtigte Softwareupdate entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängel führen würde.

Zum Zeitpunkt des Rücktritts sei nicht auszuschließen gewesen, dass die Beseitigung der Manipulation Software negative Auswirkungen auf die übrigen Immissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Dieser berechtigte Mangelverdacht reiche aus, um der Klägerin die Nachbesserung unzumutbar zu machen. Die Klägerin müsse nicht beweisen oder als sicher eintretend behaupten, dass diese anderen Mängel tatsächlich eintreten. Das würde sie als Käuferin überfordern. Ihre Interessen seien vielmehr schon hinreichend beeinträchtigt, wenn sie aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit anderer Mängel hat, wie das bei so genannten Montagsautos anerkannt sei.

Die Nacherfüllung sei auch aus zeitlichen Gründen unzumutbar gewesen. Insbesondere sei für den Käufer nicht absehbar gewesen, wann der Hersteller in der Lage ist, dass angekündigte Software update erfolgreich auf zu spielen.

Grundsätzliche Erwägungen zur Unzumutbarkeit führt das Gericht dann auch noch an 3. Stelle aus. So gründe sich die Unzumutbarkeit der nach Erfüllung auch auf eine nachhaltige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Hersteller Audi. Aufgrund der tatsächlich engen Verbindung zwischen der Beklagten als Vertragshändlerin und Audi im Rahmen des selektiven Vertriebssystems strahle dieser Vertrauensverlust gegenüber dem Hersteller auch auf die Beziehung der Klägerin zu Beklagten aus. Wegen der Brisanz des Abgasskandals, des im Raum stehenden Vorwurfs eines millionenfachen Betrugs und stets neuer Enthüllungen über das Ausmaß des Skandals sei nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht mehr darauf vertraue, dass die Nacherfüllung in ihrem Interesse erfolgt und sie objektiv über alle Umstände und mögliche Folgen informiert wird.

Die Nachbesserung werde für die Klägerin auch nicht deshalb zumutbar, weil das Kraftfahrtbundesamt der Softwareupdate genehmigt und in dieser Genehmigung vom 20. Juni 2016 die Grenzwerte für Schadstoffemissionen als eingehalten sowie die Motorleistung als unverändert bezeichnet und die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt hat. Die Genehmigung des Kraftfahrt Bundesamts sei schon nicht zur Vertrauensbildung geeignet, weil das Bundesamt bei der ursprünglichen Typengenehmigung des Wagens versagt hat, indem es die manipulieren Software nicht erkannt hat. Auch später ist das Kraftfahrbundesamt nicht tätig geworden, obwohl es entsprechende Anzeichen gegeben haben muss, die zu den entsprechenden Untersuchungen in den USA geführt haben. Schließlich dürfte die Genehmigung des Kraftfahrtbundesamts allein auf öffentlich-rechtliche Belange hin erteilt worden sein (die Abgasvorschriften), aus ihr ergebe sich jedenfalls nicht, ob und gegebenenfalls inwieweit ein Fahrzeug mit dem Softwareupdate von dem kaufrechtlich Geschuldeten abweicht.

Das Gericht geht ferner davon aus, dass nach den Umständen des vorliegenden Falles im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht von einer nur unerheblichen Pflichtverletzung im Sinne des §§ 323 Abs.5 Satz 2 BGB auszugehen sei, die einen Rücktritt ausschließen würde.

Das Gericht setzt sich insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinander, der auf die Kosten der Mangelbeseitigung abstellt. Danach ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwands mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (vergleiche Urteil vom 28.05.2014 – VIII ZR 94/13). Dabei handele es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert. Eine schematische Betrachtung verbiete sich. Auf den vorliegenden Fall übertragen belaufen sich die Mangelbeseitigungskosten auf 100 € und damit im Verhältnis zum Kaufpreis auf ca. 0,4 %. Außerdem sei die Klägerin quasi verpflichtet, die Nacherfüllung durchführen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeugs zukünftig nicht zu gefährden. Dadurch werde dem Mangel der Anschein der Unerheblichkeit genommen. Die Klägerin würde ohne den Rücktritt faktisch zu einer Nachbesserung gezwungen, die ihr nach den genannten Ausführungen an sich unzumutbar ist.

Außerdem sei im Zeitpunkt des Rücktritts nicht auszuschließen, dass der Sachmangel einen merkantilen Minderwert verursache, weil sich der mit dem Abgaskanal verbundene erhebliche Imageverlust von Audi und dem ganzen VW-Konzern bei der Preisbildung auf dem Gebrauchtwagenmarkt niederschlägt. Selbst zum Zeitpunkt des Urteils sei dies noch nicht endgültig absehbar, da noch nicht alle Motoren über die neue Software verfügen und von unabhängigen Fachleuten noch nicht auf negative Veränderungen geprüft wurden. Außerdem dürften Fahrzeuge mit nachgebesserten Motoren noch nicht in aussagekräftiger Zahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden sein. Und schließlich sei zu bedenken, dass der Vertrauensverlust, der die konkrete Nachbesserung mit dem Softwareupdate unzumutbar macht, auch Auswirkungen auf das zukünftige Vertrauen das Fahrzeug zeigt. Ein Auto sei ein langlebiges, hochwertiges Wirtschaftsgut, das im Laufe seiner Nutzung ständig gepflegt, gewartet und repariert werden müsse. Das erfordere ebenfalls ein gewisses Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Herstellers, das durch das arglistige Handeln von Audi gestört sei.

Besitzen auch Sie einen PKW, der vom Abgasskandal betroffen ist? Rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne weiter, zunächst im Rahmen einer Ersteinschätzung.

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