Rechtsnormen: §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MarkenG

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 18.05.2011 (Az. 29 W (pat) 46/11) hat das Bundespatentgericht entschieden, dass bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen ist, wenn eine Marke aus mehreren Elementen besteht. Eine Doppelfunktion des Wort-/Bildzeichens als Herkunfts- und Werbefunktion schließt seine Unterscheidungskraft nicht aus.

Zum Sachverhalt:

Seit 2002 führt die BILD-Zeitung, eine 100%ige Tochter der Axel Springer AG, zusammen mit unterschiedlichen Kooperationspartnern sogenannte „Volks-Aktionen“ durch. Das ausgewählte Produkte wird dabei gezielt als „Volks-Produkt“ vermarktet. Im Zeitraum September 2002 bis November 2010 habe die BILD über 100 solcher „Volks-Aktionen“ durchgeführt. Nachdem das DPMA in der Vergangenheit bereits insgesamt 54 unterschiedliche „Volks“-Markenserien als eintragungsfähig eingestuft hatte, lehnte es nun eine Eintragung des „Volks-Rasierers“ ab. Das Amt begründete seine Entscheidung mit einem rein beschreibenden Charakter des Wortes „Volks-Rasierer“. Auch die grafische Gestaltung verleihe dem Zeichen keine Unterscheidungskraft.

Hiergegen legte die BILD Beschwerde beim Bundespatentgericht ein, das der Beschwerde nun stattgab und die Entscheidung des DPMA aufhob.

Das Gericht führt aus:

Entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung kann nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt. Das angemeldete Zeichen, das sich aus Wort- und Bildelementen zusammensetzt, weist in seiner Gesamtheit keinen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf. Ein beschreibender Sinngehalt seiner Einzelbestandteile wird jedenfalls durch den eigenartigen Gesamtbegriff und die – die Mindestanforderungen an das Vorliegen einer noch so geringen Unterscheidungskraft erfüllende – grafische Ausgestaltung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann. (…) Mangels eines sinnvollen Aussagegehalts der Bezeichnung „Volksrasierer“ in Bezug auf die vorgenannten, beanspruchten Dienstleistungen kann ihr somit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. (…) Die obigen Ausführungen gelten entsprechend für die weiteren noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen in den Klassen 3, 35 und 38, soweit ihnen nicht ohnehin jeglicher Bezug zu Rasierern fehlt. (…) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem Anmeldezeichen neben dem Herkunftshinweis auch gleichzeitig eine Werbebotschaft für die damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen erkennen. Denn zum einen schließen sich die Identifizierungsfunktion der Marke einerseits und die Werbewirkung andererseits nicht aus, zum anderen steht der anpreisende Charakter des Anmeldezeichens nicht derart im Vordergrund, dass der Verkehr ihm nicht mehr einen Herkunftshinweis entnehmen kann (EuGH a. a. O. Rdnr. 44 und 45 – Vorsprung durch Technik; BGH a. a. O. Rdnr. 28 – My World). (…) Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortverbindung des Anmeldezeichens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowie die unterscheidungskräftige grafische Gestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wörter „Volks“ und „Rasierer“ in jedweder Form, sondern nur in der gegebenen grafischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH a. a. O. – NEW MAN).