Rechtsnorm: §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG

Mit Beschluss vom 31.07.2012 (Az. 27 W (pat) 511/12) hat das Bundespatentgericht entschieden, dass die Wortmarke „Massaker“ für Waren und Dienstleistungen der Klassen 25 (Bekleidungsstücke und Schuhwaren), 28 (Turn- und Sportartikel) und 41 (Unterhaltung, kulturelle und sportliche Aktivitäten) nicht eintragungsfähig ist, da das angemeldete Zeichen im markenrechtlichen Sinn gegen die guten Sitten verstößt.

Zum Sachverhalt:

Nachdem der Anmelderin der ablehnende Beschluss des DPMA zugestellt worden war, legte sie Beschwerde gegen die Wertungen des Markenamts hinsichtlich der anzumeldenden Wortmarke „Massaker“, die nach Ansicht des Markenamts in unerträglicher Weise das Anstandsgefühl des durchschnittlichen Verbrauchers verletzte, ein.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Begriff „Massaker“ sei wie auch der Begriff „Ficken“ für die Bereiche Bekleidung, Bier und alkoholische Getränke eintragbar, wenngleich das Wort nicht den Anforderungen des guten Geschmacks genüge. Der einzutragende Begriff „Massaker“ könne zwar als geschmacklos empfunden werden, allerdings sei ein solcher Vorbehalt nicht ausreichend, um dem Wort markenrechtlichen Schutz zu verweigern. Die Antragstellerin führt einige Beispiele an, in denen das Wort „Massaker“ künstlerisch verwendet wurde, so sei bspw. von der Kunstzeitschrift „MONOPOL“ ein Tischtennisturnier unter der Bezeichnung „Das Monopol-Massaker“ veranstaltet worden.

Das Gericht folgte dieser Argumentation allerdings nicht und bestätigte die Entscheidung des DPMA. Demnach sei das angemeldete Wort nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, da es gegen die guten Sitten verstoße.

Das Gericht führt zur Begründung aus:

„Derbe und geschmacklose Ausdrücke können zwar noch eintragungsfähig sein, da eine ästhetische Prüfung auf Anforderungen des guten Geschmacks nicht Gegenstand des markenrechtlichen Eintragungsverfahrens ist (BPatG GRUR-Prax 2012, 87 – Ficken Liquors; BPatG Beschl. v. 3.8.2011 – 26 W (pat) 116/10, BeckRS 2011, 21631 – Ficken). „Massaker“ ist aber kein vulgärsprachlicher Ausdruck, sondern verstößt wegen seiner Aussage im gewerblichen Kontext gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten. (…) Schockierendes oder Probleme Aufzeigendes darf allerdings nicht von vornherein als ärgerniserregend gelten; dies gilt auch für Angst Machendes (vgl. Schnorbus GRUR 1994, 15). Werbung hat immer einen aufmerksamkeitserregenden und belästigenden Charakter. Sittenwidrigkeit kann also nicht schon die Gefährdung des subjektiven Wohlempfindens sein. Auch kann eine langjährige unbeanstandete Benutzung (BPatG Mitt. 1988, 75 – Espirito Santo) Indiz für eine tolerante Auffassung des Publikums sein. Mit der oben gezeigten Bedeutung beinhaltet das angemeldete Wort aber Grausamkeiten und dient als Beschreibung für menschenverachtendes Verhalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es darüber hinaus als Aufforderung zu einem solchen Verhalten verstanden wird. Sofern die Anmelderin den Begriff im Kontext mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen für ironisch hält oder annimmt, das Publikum werde ihn allenfalls als geschmacklos empfinden, kann dem nicht gefolgt werden. Markenschutz darf anstößige Zeichen weder banalisieren, noch ihnen eine Bühne geben oder das Publikum daran gewöhnen (HABM BK v. 1.9.2011 – R 168/2011-1 – fucking freezing; zitiert bei Bender MarkenR 2012, 41 Fn. 69). Selbst mehrdeutige oder witzig anmutende Bezüge, wie bei „Berliner Reichstagsbrand“ im Zu- sammenhang mit „Spirituosen“, erscheinen lediglich sarkastisch, was nach hier vertretener Ansicht dort erst recht Markenschutz verhindern muss, wo Menschen zu Opfern wurden (aA BPatG Beschl. v. 14.9.2011 – 26 W (pat) 502/11, BeckRS 2011, 24050). Auch witzige Aussagen erregen dann Anstoß (BPatG GRUR 1996, 408 (409) – Cosa nostra; BPatG Beschl. v. 20.12.1995 – 26 W (pat) 42/94 – KGB Kollektive Getränke Basis). (…) Zwar sind zahlreiche Verwendungen des Wortes „Massaker“ in literarischen oder filmischen Zusammenhängen festzustellen. Dies zeigt aber keine „Abnutzung“, die dazu führen könnte, dass es kaum noch als anstößig oder gar grausam empfun- den wird. Vielmehr soll der Einsatz dort oft bewusst provozieren und drastifizieren und häufig zum Widerspruch auffordern, was Anstoßnahme einkalkuliert und teilweise sogar voraussetzt. Ein unerträglicher Verstoß gegen das sittliche Empfinden bei der Verwendung im geschäftlichen Wettbewerb ist hier allerdings jedenfalls deshalb anzunehmen, weil das Zeichen eine Aussage enthält, die menschenverachtend ist und damit die Menschenwürde beeinträchtigt bzw. dementsprechende Inhalte transportiert, die Opfer von Massakern in einen ihrem Andenken unwürdigen Kontext stellt und ihre Angehörigen verletzen muss. Marken, die Personen als Opfer zeigen, können keinen staatlichen Schutz erfahren (vgl. BPatG Mitt 1985, 215; BGH GRUR 1995, 592 (594); BPatG BeckRS 2010, 24870 – gefesselte Frau). Dies gilt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 28 und 41 sogar in besonderem Maße. In Verbindung mit Kultur und insbesondere Sport, bei dem gerade Kinder und Jugendliche einen fairen Wettbewerb lernen und aus-üben können sollen, sind Wörter, die zu grobem, geradezu brachialem Verhalten animieren können oder auch nur den Eindruck vermitteln, dies sei erwünscht oder auch nur möglich, völlig fehl am Platz. Insoweit kann schon der Anschein zum Auf-ruf oder zur Duldung gewaltverherrlichenden Verhaltens nicht hingenommen wer-den. Infolgedessen ist auch eine Registrierung als Marke für Bekleidungsstücke und Schuhwaren nicht möglich. Selbst wenn die Aussage ironisch oder zugespitzt gemeint sein könnte, so übersteigt doch der schlagwortartige Inhalt gerade im Hin-blick auf zahlreiche weltweit verübte Massaker die Grenzen des guten Geschmacks.“

Kommentar:

Die Frage der Sittenwidrigkeit von Marken stellt sich selten. Daher gibt es dazu kaum Gerichtsentscheidungen. Und keine BGH-Entscheidung. Das Bundespatentgericht ließ daher die Revision zum BGH ausdrücklich zu. Nach Ansicht des BPatG sei die Frage, welcher Maßstab bei der Prüfung  der Voraussetzungen der absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG anzulegen sei, von grundsätzlicher Bedeutung und bis heute nicht höchstrichterlich entschieden.