Rechtsnormen: § 43 b BRAO; § 6 Abs. 1 BORA; §§ 3, 4 Nr. 11 UWG

Mit Urteil vom 9. Juni 2011 (Az. I ZR 113/10) hat der BGH entschieden, dass es grundsätzlich nicht gegen das anwaltliche Berufsrecht und gegen das Irreführungsverbot verstößt, wenn der betreffende Anwalt zum rechtsmäßigen Führen der Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht bestimmte Anforderungen erfüllen muss.   Eine lediglich zweimalige vorherige Tätigkeit reiche nicht als Nachweis praktischer Erfahrung aus.

Zum Sachverhalt:

Es klagte die Rechtsanwaltskammer Nürnberg gegen einen Rechtsanwalt aus Regensburg, der sich im Briefkopf „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ bezeichnet. Der Beklagte verfügt über ein Zertifikat der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V. (AGT). Diese stellt auf Antrag Zertifikate aus. Voraussetzung für die Ausstellung ist für Rechtsanwälte eine zweijährige Berufstätigkeit (praktische Fertigkeit) sowie eine bestimmte Leistungskontrolle (theoretische Fertigkeit). Da der Beklagte keine hinreichenden praktischen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung aufweise, beanstandete die Rechtsanwaltskammer Nürnberg die Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ als irreführend und berufsrechtswidrig. Im Übrigen erwecke die Bezeichnung den falschen Eindruck, es gebe einen Beruf des Testamentsvollstreckers.
Nachdem zunächst das LG Regensburg die Klage abgewiesen hatte (Urt. v. 28.01.2010, Az. 1 HK O 2329/09) und das OLG Nürnberg der Klage im Berufungsverfahren stattgab (OLG Nürnberg, Urt. v. 28.05.2010, Az. 3 U 318/10; GRUR-RR 2011, 12), lag die Sache nun dem BGH zur Entscheidung vor. Das Berufungsgericht führte zunächst aus, die Werbung mit der Bezeichnung „Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“, sei unsachlich und irreführend, da hierdurch bei den angesprochenen Verbrauchern die Erwartung geweckt werde, dass derjenige, der sich in dieser Weise präsentiere, regelmäßig als Testamentsvollstrecker tätig werde. Der Beklagte erfülle aber gerade diese Voraussetzung nicht, da er bislang in lediglich zwei Fällen als Testamentsvollstrecker tätig wurde.

Der BGH bestätigte nun das berufungsinstanzliche Urteil:

Nach Ansicht der Bundesrichter „bestehen gegen einen Hinweis auf die Zertifizierung im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Testamentsvollstrecker aus berufs- und wettbewerbsrechtlicher Sicht allerdings keine Bedenken.“ So sei die Angabe für Rechtssuchende durchaus von Bedeutung.  Auch werde nicht der falsche Eindruck hervorgerufen, das Zertifikat sei von einer amtlichen Stelle ausgestellt worden.

Grundsätzlich sei auch die Verwendung der Bezeichnung „Testamentsvollstrecker“ nicht irreführend oder unsachlich.  Der Verkehr erkenne durchaus, dass es sich hierbei nicht um eine besondere Berufsbezeichnung, sondern um eine Tätigkeitsbeschreibung handele. Allerdings sei von einem „zertifizierten Testamentsvollstrecker“ zu erwarten, dass er über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfüge. Auch bei Rechtsanwälten setze dies eine vorherige wiederholte Tätigkeit als Testamentsvollstrecker voraus.

Daher sei es nach BGH-Ansicht irreführend, wenn Rechtsanwälte ohne praktische Erfahrung als Testamentsvollstrecker die Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker“ verwenden; auch eine vorherige zweimalige Tätigkeit reiche nicht aus.