Rechtsnorm: § 15 Abs. 2 S. 1 RVG

Mit Urteil vom 11.01.2011 (Az. VI ZR 64/10) hat der BGH entschieden:

Eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit kann auch dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt von mehreren Personen beauftragt wird, gegen eine unzulässige Presseberichterstattung vorzugehen, die sämtliche Auftraggeber in gleicher Weise betrifft (hier: Berichterstattung über ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs gegen drei Angeklagte).

(Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Kläger ist ein Geschäftsführer der G-GmbH, gegen den und zwei weitere Personen wegen  Subventionsbetrugs ermittelt wurde. Das Strafverfahren wurde zwischenzeitlich nach § 153a StPO eingestellt. Unter der Überschrift „Hier sitzen drei Subventionsbetrüger“ erschien in der von der Beklagten herausgegebenen Bild-Zeitung in der Magdeburg-Ausgabe vom 16. Mai 2008 ein großes Foto, das den Kläger und die beiden Mitangeklagten zeigte. Mit drei gesonderten Schreiben vom gleichen Anwalt ließen der Kläger und die weiteren Betroffenen die Beklagte abmahnen. Nach Erlass einer vom Kläger erwirkten einstweiligen Verfügung forderte dieser die Beklagte zur Abgabe einer Abschlusserklärung und zur Erstattung der Anwaltskosten in Höhe von 1.368,38 € auf. Hierauf gab die Beklagte die Abschlusserklärung ab, erstattete jedoch hinsichtlich der Anwaltskosten aller drei Betroffenen nur 2.264,81 €, wovon auf die Kosten des Klägers anteilig 754,94 € entfallen. Die Beklagte begründete ihre verminderte Zahlung damit, dass der Rechtsanwalt gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 RVG die Gebühren „in derselben Angelegenheit“ nur einmal fordern könne.  Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger nun Erstattung des Restbetrages in Höhe von 613,44 €.

Nachdem das Amtsgericht der Klage zunächst stattgegeben und das Berufungsgericht diese abgewiesen hatte, verfolgt der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision sein Klageziel weiter.

Abschließend bestätigte der BGH nun die Entscheidung des Landgerichts. So habe dieses zu Recht angenommen, die anwaltliche Tätigkeit für alle drei Betroffenen betreffe dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG.

Das Gericht führt aus:

Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. (…) unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören.

Nach Ansicht des Gerichts stehe der Annahme einer Angelegenheit nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht auf eine Entscheidung aus dem vergangenen Jahr:

Mit Urteil vom 27. Juli 2010 (Az. VI ZR 261/09) hat der erkennende Senat entschieden, dass dann, wenn ein Rechtsanwalt beauftragt wird, gegen eine unrichtige Presseberichterstattung vorzugehen, eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit auch dann vorliegen kann, wenn durch die unrichtigen Äußerungen sowohl eine GmbH als auch deren Geschäftsführer betroffen sind und dass die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer getrennten Beauftragung derselben Anwaltssozietät und einer getrennten anwaltlichen Bearbeitung in der Regel jedenfalls dann zu verneinen sein wird, wenn die Abmahnung ohne weiteren Aufwand zu Unterlassungserklärungen der für die Berichterstattung Verantwortlichen führen und die Sache bis dahin ohne weiteres als eine Angelegenheit bearbeitet werden kann. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, wobei gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder ob er für jeden von ihnen gesondert tätig werden sollte.