Rechtsnormen:       § 3, § 4 Nr. 1 UWG 2004

Vor einiger Zeit berichtete ich bereits über ein BGH-Urteil vom 31.03.2010 (Az. I ZR 75/08) bzgl. tagesaktueller Werbung. Ich verwies dabei auf die Pressemitteilung des BGH. Inzwischen liegt das Urteil im Volltext vor. Daher folgend eine etwas ausführlichere Darstellung.

Der BGH entschied:

Eine Werbung mit der Angabe „Nur heute Haushaltsgroßgeräte ohne 19% Mehrwertsteuer“ beeinflusst Verbraucher auch dann nicht in unangemessener und unsachlicher Weise iSv §§ 3, 4 Nr. 1 UWG bei ihrer Kaufentscheidung, wenn die Werbung erst am Tag des in Aussicht gestellten Rabattes erscheint. (Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Es klagte ein Wettbewerber gegen das Unternehmen MediaMarkt, das am 04.01.2007 kurz nach der Heraufsetzung der Mehrwertsteuer von 16% auf 19% online mit der Anzeige „Nur heute, 04. Januar, Haushaltsgeräte ohne 19 % Mehrwertsteuer“ warb. Durch den Kläger wurde Wettbewerbswidrigkeit beanstandet, die damit begründet wurde, dass eine Preissenkung nur am Tage des Erscheinens der Werbung gewährt worden sei und dies zur Folge hätte, dass wenigstens berufstätigen Verbrauchern ein angemessener Preisvergleich aufgrund des durch die Werbung erzeugten Zeitdrucks nichts mehr möglich gewesen sei.

Der BGH entschied, dass in der beanstandeten Werbung keine unangemessene und unsachliche Beeinflussung des Verbrauchers iSv §§ 3 und 4 Nr. 1 UWG 2004 zu sehen sei. Es müsse auf den mündigen Verbraucher abgestellt werden, der trotz solcher Kaufanreize rational mit beworbenen Angeboten umgehen könne.

Die Bundesrichter führen aus:

Das beanstandete Verhalten war zum fraglichen Zeitpunkt im Januar 2007 nicht unlauter iSv §§ 3, 4 Nr. 1 UWG 2004.  Hieran hat sich auch durch die für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften der EG-Richtlinie 2005/29 (Art. 8 und 9) nichts geändert. Es ist deshalb nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung der Verbraucher zusteht (§ 4 Nr. 1 UWG).

Der Beispielstatbestand des § 4 Nr. 1 UWG erfasst im Bereich der Verbraucherwerbung nur Wettbewerbshandlungen, durch die ein unangemessener unsachlicher Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher ausgeübt wird. Eine Werbeaussage ist nicht schon dann unlauter, wenn das Kaufinteresse lediglich durch einen Rabatt in Höhe von 19% vom Kaufpreis geweckt wird. Die damit verbundene Anlockwirkung ist nicht wettbewerbswidrig, sondern liegt als gewollte Folge in der Natur des Leistungswettbewerbs.

(…) hat das Berufungsgericht zu Unrecht einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 1 UWG angenommen. Seine Beurteilung ist mit der Lebenserfahrung nicht zu vereinbaren.

Die Annahme des Berufungsgerichts, eine rationale Kaufentscheidung setze einen vollständigen Preisvergleich voraus, ist erfahrungswidrig. Der mündige Verbraucher ist durchaus in der Lage, mit einem Kaufanreiz – wie dem im Streitfall – in rationaler Weise umzugehen. Zwar wurde die Werbung erst an dem Tag veröffentlicht, an dem auch der Rabatt gewährt wurde. Dieser Rabatt betrug auch mit 19% nahezu ein Fünftel des (Brutto-)Kaufpreises, den der Verbraucher der Werbung selbst allerdings nicht entnehmen konnte. Der Preisnachlass wurde aber immerhin während der gesamten Öffnungszeit an einem Wochentag in Aussicht gestellt. Die beworbenen Artikel – Haushaltsgroßgeräte, CDs, DVDs und Software – sind im Allgemeinen in ausreichendem Maß auf dem Markt erhältlich und unschwer zugänglich. Einen Preisüberblick können sich die Verbraucher beispielsweise auch im Internet verschaffen. Selbst wenn sie dennoch keine Gelegenheit zu einem ausführlichen Preisvergleich haben sollten, werden sie allein aufgrund der Werbung keine unüberlegten Kaufentschlüsse treffen. Das schließt zwar die Möglichkeit ein, dass sich einzelne Verbraucher auch ohne (vollständigen) Preisvergleich zu einem Kauf entschließen und dadurch riskieren, dass ihnen ein noch günstigeres Angebot eines Mitbewerbers der Beklagten entgeht. Diese Situation ist jedoch nicht ungewöhnlich. Vielmehr kommt es im Handel häufig vor, dass sich Verbraucher kurzfristig zu einem Kauf entschließen, ohne einen umfassenden Preisvergleich vorzunehmen. Sofern sich der Verbraucher ohne einen solchen Vergleich zum Kauf entschließt, handelt er bewusst und geht freiwillig das genannte Risiko ein. Bei teuren Artikeln, bei denen die Anschaffungskosten unter Umständen eine beträchtliche Investition darstellen, wird der Verbraucher ohnehin von dem Angebot erfahrungsgemäß nur nach reiflicher Überlegung Gebrauch machen. Bei günstigen Angeboten wird der Durchschnittsverbraucher gerade nicht derart übertrieben angelockt, dass er unüberlegte Entscheidungen trifft.

Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG) begründet. Einem Unternehmen steht es grundsätzlich frei, seine Preise in eigener Verantwortung zu gestalten und die Preise der Konkurrenten insbesondere auch beim Verkauf identischer Waren zu unterbieten. Einen Verkauf unter Einstandspreis hat die Klägerin nicht dargetan.

Da der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten.