Rechtsnormen: § 839 BGB iVm Art. 34 GG

 

Mit heutigen Urteilen (Az. III ZR 196/11 und III ZR 197/11) hat der BGH entschieden, dass einer in Gibraltar ansässigen Sportwettenanbieterin keine Staatshaftungsansprüche wegen entgangenen Gewinns infolge einer Europarechtswidrigkeit von Untersagungen der Vermittlungstätigkeit von Sportwetten zustehen.

 

Zum Sachverhalt:

 

Im Jahr 2005 untersagten die beklagten Städte der Klägerin, einer Sportwettenanbieterin mit einer Lizenz aus Gibraltar, die Vermittlung von Sportwetten durch in Bayern ansässige selbstständige  Vermittler. Die Beklagten verwiesen auf den bis zum 31.12.2007 gültigen Staatsvertrag, wonach der Klägerin und den Vermittlern die erforderliche Lizenz fehle. Die Städte ordneten den sofortigen Vollzug der Verfügungen an. Hiergegen gerichtete Widersprüche blieben erfolglos.
Mit viel diskutierten Urteilen vom 08.09.2010 stellte der EuGH die Unvereinbarkeit des deutschen Sportwettenmonopols mit der EU-Dienstleistungsfreiheit fest. Daher fordert die Klägerin nun Schadensersatz (Staatshaftungsanspruch) wegen entgangener Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.

 

Nachdem schon die Vorinstanzen (LG Landshut – 54 O 30/10 und OLG München – 1 U 392/11 sowie LG Passau – Az. 1 O 1118/09 und OLG München – Az. 1 U 5279/10) einen Schadensersatzanspruch abgelehnt hatten, entschied nun auch der BGH, dass der Sportwettenanbieterin kein Anspruch aus Staatshaftung wegen entgangener Gewinne zusteht.

 

Nach der EuGH-Rechtsprechung wäre hierfür ein Verstoß einer öffentlichen Körperschaft gegen geltendes EU-Recht in „hinreichend qualifizierter Weise“ notwendig. Entscheidend seien hierfür das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist.

 

Nach Ansicht der BGH unterbanden die bayrischen Behörden und Gerichte die Sportwettenvermittlung aufgrund des seinerzeit gültigen Staatsvertrages. Somit könne kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen EU-Recht festgestellt werden.

 

Der BGH führt in seiner heutigen Pressemitteilung aus:

 

„Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sportwettenmonopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europarechtswidrig war.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, die in den deutschen Ländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol seien verfassungswidrig, da sie in sich nicht stimmig seien. Zugleich hat es ausgeführt, die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu denen, die das europäische Gemeinschaftsrecht an derartige Monopole stelle. Gleichwohl durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopolgesellschaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 für die Fortgeltung der Monopolvorschriften zugestanden. In dieser Zeit durften die Regelungen jedoch nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein unionrechtskonformer Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten, Verwaltungsgerichtsentscheidungen bestätigt worden.“