Rechtsnormen: § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; §§ 91 a, 139, 156 ZPO

Mit Urteil vom 12.05.2011 (Az. I ZR 20/10) hat der BGH entschieden:

1. Ein rein firmenmäßiger Gebrauch eines Zeichens ist keine rechtsverletzende Benutzung iSv § 14 Abs. Nr. 2 MarkenG.

2. Ist dem Klagevorbringen zu entnehmen, dass der Kläger das auf ein Markenrecht gestützte Klagebegehren entgegen der Fassung des Klageantrags nicht auf einen rein firmenmäßigen Gebrauch des angegriffenen Zeichens beschränken, sondern sich (auch) gegen eine Verwendung des angegriffenen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen wenden will, muss das Gericht nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO auf einen sachdienlichen Antrag hinwirken.

3. Das Erfordernis, einen Hinweis nach § 139 ZPO aktenkundig zu machen, ihn insbesondere – wenn er erst in der mündlichen Verhandlung erteilt wird – zu protokollieren, hat auch die Funktion, dass der Hinweis in einer Form erteilt wird, die der betroffenen Partei die Notwendigkeit einer prozessualen Reaktion – und sei es nur in der Form eines Antrags nach § 139 Abs. 5 ZPO – deutlich vor Augen führt.

(amtliche Leitsätze 1-3)

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin „Wohngeschwister Lübke GmbH“, die Inhaberin der  Wort-/Bildmarke „Schaumstoff Lübke“, verlangt von der Beklagten, die Inhaberin der prioritätsjüngeren Firma „Dieter Lübke Schaumdesign GmbH“ ist, die Unterlassung der Nutzung der Bezeichnung „Dieter Lübke Schaumdesign GmbH“ im Geschäftsverkehr.

Nachdem das erstinstanzliche LG Hamburg  (Urt. v. 20.11.2007 – 408 O 40/07) dem klägerischen Antrag gefolgt war und die Berufungsinstanz (OLG Hamburg, Urt. v. 13.01.2010 – 5 U 256/07) diese Entscheidung gekippt hatte, hob nun der BGH die Berufungsentscheidung wieder auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Nach Ansicht der Bundesrichter sei das OLG Hamburg zwar richtigerweise davon ausgegangen, dass der rein firmenmäßige Gebrauch eines Kennzeichens keine rechtsverletzende Benutzung iSv § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstelle. Demzufolge sei das allein mit dem Unterlassungsantrag verfolgte Klageziel, ein Verwendungsverbot des firmenmäßigen Gebrauchs des angegriffenen Kennzeichens zu erreichen, nicht begründet.

Allerdings habe das OLG unter Verletzung der §§ 139, 156 Abs. 2 Nr. 1 die Verhandlung nicht wiedereröffnet, obwohl die Klägerin durch einen Schriftsatz zum Ausdruck gebracht hatte, ihr Unterlassungsbegehren richte sich auch gegen die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung durch die Beklagte zur Warenkennzeichnung. Vorliegend habe die Beklagte das streitgegenständliche Kennzeichen auch auf Umverpackungen und Möbeln angebracht. Daher habe der angesprochene Verkehr diese Kennzeichnung als Herkunftshinweis verstanden.

Weiter führt das Gericht aus, dass auch eine mündliche Erörterung der Frage nach der Reichweite des Unterlassungsanspruches vorliegend nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 139 Abs. 4 S. 2 ZPO ausgereicht hätte, wenn das Gericht diese Erörterung mit einem entsprechenden nicht aktenkundig gemacht habe.

Zur Begründung im Wortlaut:

„Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht der Klägerin keine hinreichende Gelegenheit gegeben hat, ihr Klagebegehren klarzustellen. Es musste nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hinwirken, dass die Klägerin einen sachdienlichen Antrag stellte. Sachdienlich war ein Antrag, der sich gegen die Verwendung der Unternehmensbezeichnung zugleich für Waren richtete. Aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ergab sich, dass die Beklagte das angegriffene Unternehmenskennzeichen im Zusammenhang mit dem Warenabsatz benutzte. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Dafür, dass das Berufungsgericht die Klägerin darauf hingewiesen hat, einen entsprechend formulierten Klageantrag zu stellen, ist nichts ersichtlich.

Jedenfalls hätte das Berufungsgericht die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Unterlässt das Gericht den nach der Prozesslage gebotenen Hinweis nach § 139 Abs. 1 ZPO und erkennt es aus einem nicht nachgelassenen Schriftsatz der betroffenen Partei, dass diese sich offensichtlich in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend hat erklären können, ist gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – VIII ZR 199/91, NJW 1993, 134; Beschluss vom 15. Februar 2005 – XI ZR 144/03, FamRZ 2005, 700; Urteil vom 18. September 2006 – II ZR 10/05, NJW-RR 2007, 412 Rn. 4; Urteil vom 31. März 2010 – I ZR 34/08, GRUR 2010, 1117 Rn. 39 = WRP 2010, 1475 – Gewährleistungsausschluss im Internet).

Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen. Aus dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsatz der Klägerin vom 8. Dezember 2009 ergibt sich, dass die Klägerin ihr Klagebegehren – auf der Grundlage ihres unwidersprochenen Vorbringens – auch gegen die Verwendung der angegriffenen Unternehmensbezeichnung „Dieter Lübke Schaumdesign GmbH“ für Waren der Beklagten richten wollte. Dieses Klageziel konnte das Berufungsgericht im Hinblick auf den ausschließlich gegen die Verwendung der in Rede stehenden Bezeichnung zur Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs der Beklagten gerichteten Klageantrag (dazu Rn. 15) nur nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und Änderung des Klageantrags berücksichtigen. Zu der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war das Berufungsgericht nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verpflichtet, weil es in der zuvor geschlossenen mündlichen Verhandlung nicht auf die Stellung eines sachdienlichen Klageantrags hingewirkt hatte.“

Kommentar:

In konsequenter Anwendung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Entscheidung „Celine“ – Urt. v. 11.09.2007, Az. C-17/06) bestätigt der BGH mit dieser Entscheidung, dass die nur firmenmäßige Verwendung eines Kennzeichens keinen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. Nr. 2 MarkenG begründen kann. Von besonderem Interesse für die Praxis sind die Erwägungen des BGH, die zur Rückverweisung an die Berufungsinstanz führten: Gemäß § 139 ZPO hat das Gericht eine Pflicht zur Hinweiserteilung, wenn sich durch den Votrag der klagenden Partei erkennen lässt, dass sich die Klage nicht nur auf die firmenmäßige Verwendung der Marke bezieht, sondern die Klage auch gegen eine darüber hinausgehende Verwendung der Marke, bspw. durch die Nutzung auf Umverpackungen oder Möbeln, gerichtet ist.  Wird seitens des Gerichts gegen diese Hinweispflicht verstoßen, liegt ein Verfahrensfehler vor, der zwingend zur Neuverhandlung der Sache zu führen hat.