Mit gestrigem Urteil (Az. III ZR 98/12) hat der BGH entschieden, dass Kunden eines Telekommunikationsunternehmens Schadensersatz für einen mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Internetanschlusses zusteht. Schadensersatzansprüche für den Ausfall von Telefon und Telefax stehen Privatkunden jedoch nicht zu, wenn ihnen Alternativmöglichkeiten zur Verfügung stehen und das Telekommunikationsunternehmen hierfür anfallende zusätzliche Kosten ersetzt.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger war Kunde der beklagten Telefongesellschaft. Durch einen Fehler im Rahmen einer Tarifumstellung konnte der Kläger drei Monate lang seinen DSL-Anschluss nicht nutzen. Den Anschluss nutzte er u.a. auch für seinen Telefon- und Telefaxverkehr (Voice und Fax over IP, VoIP). Er verlangt von der beklagten Gesellschaft Schadensersatz für den Ausfall seines Anschlusses und dem damit einhergehenden Fortfall der Möglichkeit, den Anschluss während des dreimonatigen Ausfallzeitraums für Telefonate, Telefaxe und Internet zu nutzen. Hierfür verlangt er EUR 50,- Entschädigung pro Ausfalltag. Zudem verlangt er Ersatz der Mehrkosten infolge seines Anbieterwechsels.

Die beiden Vorinstanzen (AG Montabaur, Urt. v. 07.12.2010 – 5 C 442/10; LG Koblenz, Urt. v. 07.03.2012 – 12 S 13/11) sprachen dem Kläger einen Ersatzanspruch iHv EUR 475,50 zu. Hierbei wurden die Ersatzansprüche für den Anbieterwechsel und den Nutzungsausfall zusammengerechnet. Der Kläger war mit diesen Entscheidungen unzufrieden und verfolgte seinen Schadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten vor dem BGH weiter; dieser hatte nun im Rahmen des Revisionsverfahrens über die Sache zu entscheiden.

Unter Einbeziehung seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt, lehnt der BGH einen Schadensersatzanspruch für den Ausfall der Möglichkeit zu faxen ab.

Zur Begründung führt er im Rahmen seiner Pressemitteilung aus:

„In Anwendung dieses Maßstabs hat der BGH einen Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes verneint. Dieses vermittele lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden. Der Fortfall des Telefaxes wirke sich zumindest in dem hier in Rede stehenden privaten Bereich nicht signifikant aus, zumal diese Art der Telekommunikation zunehmend durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit elektronischer Post verdrängt wird.“

Auch bezüglich des Telefonausfalls lehnt der Bundesgerichtshof im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch ab. Hierzu führt er aus: „Allerdings stelle die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut dar, dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist. Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfalle jedoch, wenn dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Dies war vorliegend der Fall, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum ein Mobiltelefon nutzte und er die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt verlangen konnte.“

Schließlich befand der BGH über einen möglichen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen des Ausfalls seines Internetzugangs. Hier kam er zu einem abweichenden Ergebnis und bestätigte die Ansicht des Klägers.

Das Gericht führt zur Begründung aus (Presseerklärung, Volltext liegt noch nicht vor):

„Die Nutzbarkeit des Internets sei ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stelle weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei würden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So seien etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetze das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermögliche es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem werde es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bediene sich täglich des Internets. Damit habe es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“

Daher stehe dem Kläger ein angemessener Schadensersatz zu.

Hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzanspruchs führt der BGH aus, dass „der Kläger in Übertragung der insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung einen Betrag verlangen könne, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richte, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbwirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren.“

Zwecks näherer Prüfung der genauen Schadensersatzhöhe verwies der BGH die Sache an das LG Koblenz zurück.

Kommentar:

Der BGH hat nun entschieden, dass Kunden, deren Internetanschluss über mehrere Wochen nicht verfügbar ist, ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, da eine ständige Verfügbarkeit des Internets seit längerer Zeit auch im privaten Bereich von zentraler Bedeutung ist. Im konkreten Fall wird nun das LG Koblenz zu klären haben, wie hoch dieser Anspruch des Kunden tatsächlich ist.