Rechtsnormen: § 73 Abs .1 S. 1, 1a AMG

Mit Urteil vom 12.01.2012 (Az. I ZR 211/10) hat der BGH entschieden, dass ein von einer Freilassinger Apotheke betriebenes Rabattmodell, bei dem Kunden Medikamente über eine ungarische Partnerapotheke beziehen, diese aber in Deutschland kaufen und dort beraten werden, zulässig ist. Lediglich hinsichtlich preisgebundener verschreibungspflichtiger Medikament verstoße dieses Modell gegen das Arzneimittelrecht.

Zum Sachverhalt:

Die Parteien sind konkurrierende Apothekenbetreiber in Freilassing. Die Beklagte bietet ihren Kunden die Möglichkeit, Medikamente bei einer Partner-Apotheke in Budapest zu bestellen und diese dann zusammen mit einer Rechnung der ungarischen Apotheke bei ihr in Freilassing abholen zu können. Im Wege dieses Geschäftsmodells verspricht sie den Kunden Rabatte iHv 22% bei nicht-verschreibungspflichtigen und iHv 10% bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Bei einer Bestellung werden die Medikamente zunächst mittels eines deutschen Großhändlers an die ungarische Apotheke geliefert, ehe sie von dort aus wieder zurück nach Deutschland zur Beklagten versandt werden. Eine pharmazeutische Beratung der Kunden könne durch die Beklagte in Freilassing erfolgen.  In diesem Geschäftshandeln sehen die Klägerinnen einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften. Weiter vertreten sie die Ansicht, soweit die Beklagte sonstige Arzneimittel auf diese Weise abgebe, verstoße sie gegen andere arzneimittelrechtliche Bestimmungen.

Nachdem das erstinstanzliche LG Traunstein (Urt. v. 11.03.2009 – 2 HKO 2534/08) der Unterlassungs- und Schadensersatzklage stattgegeben und die Berufungsinstanz (OLG München, Urt. v. 28.10.2010 – 6 U 2657/09 – A&R 2010, 279) die Traunsteiner Entscheidung lediglich hinsichtlich der preisgebundenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel bestätigt, die Klage ansonsten aber  abgewiesen hatte, lag die Sache nun dem BGH zu Entscheidung vor.

Der BGH bestätigte nun die Entscheidung des OLG München.

Nach Ansicht der Bundesrichter stelle die Geschäftspraxis der Beklagten einen Verstoß gegen die Preisbindung verschreibungspflichtiger Medikamente dar, da die Beklagte die Arzneimittel als inländische Apothekerin abgebe. Der BGH lehnt seine Entscheidung an eine frühere Entscheidung des BSG an.

Im Übrigen habe die Beklagte nicht gegen Wettbewerbs- und Arzneimittelrecht verstoßen. Das Gericht führt in seiner Mitteilung vom 13.01.2011 zu den Gründen aus:

„Insbesondere hat er (BGH) einen Verstoß der Beklagten gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz verneint. Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland eingeführt werden. Insbesondere sei der Versand von Arzneimitteln auch aus dem EU-Ausland an deutsche Endverbraucher nur unter engen Voraussetzungen gestattet, die die hier eingeschaltete Budapester Apotheke nicht erfüllt.

Der BGH hat jedoch einen Versand unmittelbar an Endverbraucher im Streitfall verneint. Auch wenn das von der Beklagten praktizierte Modell so ausgestaltet sei, dass sie den Verkauf der bestellten Arzneimittel durch die Budapester Apotheke lediglich vermittelt und der Kaufvertrag deswegen zwischen dem deutschen Kunden und der Budapester Apotheke zustande kommt, sei die Beklagte arzneimittelrechtlich als Empfängerin anzusehen, die ihrerseits die Medikamente sodann an die Kunden abgibt. Für die arzneimittelrechtliche Beurteilung sei dabei maßgebend, dass in die Abgabe an den Endverbraucher eine inländische Apotheke eingeschaltet ist, die verpflichtet ist, die Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der auf diese Weise abzugebenden Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Deswegen sei arzneimittelrechtlich die inländische Apotheke der Beklagten Empfängerin der von der Budapester Apotheke versandten Arzneimittel. Daher hat der BGH einen Verstoß gegen das Verbringungsverbot des § 73 AMG verneint.“