Rechtsnorm: § 143 Abs. 1 PatG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO

Mit Beschluss vom 22.02.2011 – X ZB 4/09 hat der BGH entschieden:

Der Begriff der Patentstreitsache ist grundsätzlich weit auszulegen. Zu den Patentstreitsachen zählen alle Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonst wie mit einer Erfindung eng verknüpft sind. Ein Rechtsstreit ist jedoch nicht bereits deshalb Patentstreitsache, weil Ansprüche aus einem Vertrag geltend gemacht werden, in dem sich eine Vertragspartei zur Übertragung eines Patents verpflichtet hat.

(Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Streitgegenstand sind die Kosten eines Rechtsstreits, in dem der Kläger erfolglos Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch arglistiges Erschleichen des Urteils in einem Vorprozess begehrt hat. Im Vorprozess hatte u.a. der Kläger vom Beklagten zunächst die Übertragung eines Patents eines notariell beurkundeten Vertrages und schließlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt. Der Kläger blieb allerdings in allen Instanzen unterlegen. Die Vertretung des Beklagten übernimmt vorliegend (wie auch im Vorprozess) u.a.  ein Patentanwalt. Der Kläger wird dagegen nicht von einem Patentanwalt vertreten.  Die Vorinstanzen setzten die Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten des Beklagten zur Erstattung fest: Da eine Patentsache vorliege, habe der Kläger die Gebühren des Patentanwalts des Beklagten zu tragen, § 143 PatG. Aktuelles Verfahren sei als „Neuauflage des Vorprozesses“ zu verstehen und dieser habe auf einen vertraglichen Anspruch auf die Übertragung eines Patents gezielt.

Der BGH hebt den vorinstanzlichen Kostenfestsetzungsbeschluss nun teilweise auf und weist den Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Patentanwaltskosten zurück:  Aus § 143 Abs. 3 ergebe sich keine Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten, da der Vorprozess  keine Patentstreitsache sei:

„Weder wurde vom Kläger ein Anspruch aus dem Patentgesetz geltend gemacht, noch lag dem Klagebegehren ein im Patentgesetz geregeltes Rechtsverhältnis zugrunde. Der bloße Umstand, dass das Patentgesetz die Übertragbarkeit von Patentrechten anordnet (§ 15 Abs. 1 Satz 2), genügt nicht, um anzunehmen, dass ein jeder Vertrag, in dem sich eine Vertragspartei zur Übertragung (zumindest auch) eines Patents verpflichtet, deswegen ein im Patentgesetz geregeltes Rechtsverhältnis betrifft. Ein solches Vertragsverhältnis kann auch nicht ohne weiteres als sonstwie mit einer Erfindung eng verknüpftes Rechtsverhältnis angesehen werden. (…) Auch der im vorliegenden Rechtsstreit erhobene Anspruch qualifiziert die Streitsache nicht als Patentstreitsache. Der Kläger hat den Klageanspruch darauf gestützt, dass der Beklagte wider besseres Wissen seine Darstellung dazu bestritten habe, welche mündlichen Äußerungen von den Vertragsparteien und dem Notar anlässlich der notariellen Beurkundung des Vertrags abgegeben worden seien, auf den der im Vorprozess geltend gemachte Übertragungsanspruch gestützt war. Der Anspruch sollte sich daraus ergeben, dass der Notar auf Fragen des Klägers die schließlich beurkundete Fassung des Vertrages zuvor in einer bestimmten Weise erläutert habe und diese Erläuterung zu einem Konsens unter den Vertragsschließenden geführt habe. Da diese Äußerungen nach den Behauptungen des Klägers rechtlicher und nicht technischer Natur waren, bedurfte es auch für deren Beurteilung keines besonderen technischen Sachverstandes, wie er für die Beurteilung von Patentstreitsachen vorausgesetzt wird.“

Auch aus § 91 Abs. 1 S. 1 könne man keine Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten erkennen. So seien über die in § 143 PatG geregelten Fälle hinaus die Kosten eines Patentanwalts als notwendige Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nur dann zu ersetzen, wenn in einem Rechtsstreit (im Gegensatz zum vorliegenden Fall) technische oder patentrechtliche Fragen eine Rolle spielen, die in das typische Arbeitsfeld eines Patentanwalts gehören.

Kommentar:

Der BGH bestätigt mit aktueller Entscheidung seine bisherige ständige Rechtsprechung, nach der der Begriff der Patentstreitigkeit weit auszulegen ist. Allerdings betonen die Bundesrichter, dass ein Rechtsstreit nicht bereits durch die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Patentüberlassungsvertrag eine Patentstreitsache ist. Es bedürfe daher einer patentrechtlichen Anspruchsgrundlage. Wenn es an dieser mangele, sei im Rahmen einer summarischen Prüfung festzustellen, ob das Gericht und die Prozessvertreter für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen über den besonderen (patentrechtlichen) Sachverstand verfügen müssen, um die Erfindung technisch richtig erfassen und beurteilen zu können. Nur dann sei eine Qualifizierung als Patentstreitsache gerechtfertigt.