Rechtsnormen: § 823 Abs. 2 BGB; Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV; §§ 4 Nr. 11, 11 UWG

Mit Urteilen vom 10.02.2011 (Az. I ZR 213/08, I ZR 136/09) hat der BGH entschieden, dass die Klagen gegen die Flughäfen Frankfurt-Hahn und Lübeck wegen Beihilfen an Ryanair neu verhandelt werden müssen. Möglicherweise stelle die Gewährung staatlicher Beihilfen an Ryanair eine unerlaubte Handlung und einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht dar.

Zum Sachverhalt:

Im ersten Fall (Az. I ZR 136/09) klagt die Lufthansa gegen Konditionen, die der Flughafen Frankfurt-Hahn der Fluggesellschaft Ryanair einräumte. Hierin sieht die Klägerin eine unzulässige Gewährung staatlicher Beihilfen. Wegen der Beteiligungsverhältnisse sei der Flughafen ein öffentliches Unternehmen, so dass in Betracht komme, dem Staat das Handeln des Flughafens zuzurechnen. Die Lufthansa verlangt Auskunft über die Ryanair gewährten Vorteile und Unterlassung, Ryanair „Marketing Support“ oder sonstige Zuschüsse zu gewähren. Nachdem die Vorinstanzen (LG Bad Kreuznach, Urt. v. 16.05.2007, Az. 2 O 441/06; OLG Koblenz, Urt. v. 25.02.2009, Az. 4 U 759/07) die Klage abgewiesen hatten,  hob nun der BGH diese Urteile auf.

Nach Ansicht der Bundesrichter komme es in Betracht, dass die Ansprüche der Lufthansa auf deliktsrechtlicher Grundlage (§ 823 Abs. 2 BGB) begründet seien. Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sei ein auch im Interesse der Konkurrenten bestehendes Schutzgesetz des Beihilfenrechts. Zudem sei es als eine Marktverhaltensregelung iSv § 4 Nr. 11 UWG zu verstehen, mithin könnten Verstöße gegen das Verbot wegen Rechtsbruchs auch unlauter sein. Somit könne derjenige, der gegen das Durchführungsverbot verstößt, delikts- und wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung, Auskunft, Beseitigung der Beeinträchtigung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Allerdings verjähre der wettbewerbsrechtliche Anspruch bereits nach sechs Monaten (§ 11 UWG). Der deliktische Anspruch unterliege demgegenüber der Regelverjährungsfrist von drei Jahren.

In seiner Pressemitteilung vom 10.02.2011 führt der BGH zu den Gründen weiter aus:

Nach der Rechtsprechung des EuGH begründe das Durchführungsverbot Rechte der Einzelnen, die von den nationalen Gerichten zu beachten sind. Das Verbot hat gerade die Funktion, die Interessen derjenigen zu schützen, die von der Wettbewerbsverzerrung infolge der Beihilfe betroffen sind. Gewährt ein staatlicher Flughafen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot einer Fluggesellschaft Beihilfen, so könnten daher deren Konkurrenten von dem Flughafen verlangen, die Beihilfe zurückzufordern.

Das Berufungsgericht habe nunmehr zu prüfen, ob die Ryanair eingeräumten Konditionen staatliche Beihilfen sind, die der Kommission anzumelden waren. Dabei werde es insbesondere darauf ankommen, ob die entsprechenden Handlungen des Flughafens dem Staat zurechenbar sind, ob andere Fluggesellschaften dieselben Konditionen wie Ryanair erhalten konnten und ob sich der Flughafen wie ein privater Eigentümer verhalten hat. Sollte das Berufungsgericht Beihilfen feststellen, darf es nicht darüber entscheiden, ob sie genehmigt werden können. Diese Beurteilung obliege allein der Kommission. Die Kommission habe zwar bereits ein Beihilfeprüfverfahren eingeleitet. Das Verfahren vor dem Berufungsgericht sei aber nicht auszusetzen, bis die Kommission eine Entscheidung getroffen hat.

Im ebenso entschiedenen Parallelfall (Az. I ZR 213/08 – Flughafen Lübeck; Vorinstanzen: LG Kiel, Teilurt. v. 28.07.2006, Az. 14 O Kart. 176/04, OLG Schleswig, Urt. v. 20.05.2008, Az. 6 U 54/06) klagte Air Berlin wegen Beihilfen zugunsten von Ryanair gegen den Flughafen Lübeck.