Rechtsnorm: § 1004 Abs. 1 iVm § 823 Abs. 1 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 GG; § 153a StPO

Mit Urteil vom 30.10.2012 (Az. VI ZR 4/12) hat der BGH entschieden, dass das Internetportal www.welt.de weiterhin einen Artikel über einen Gazprom-Manager bereithalten darf, wonach dieser eine falsche eidesstattliche Versicherung hinsichtlich seiner Stasi-Vergangenheit abgab. Das Schutzinteresse des Klägers tritt hinter das Recht der Öffentlichkeit auf Information und das Recht auf freie Meinungsäußerung zurück.

Zum Sachverhalt:

Ein Manager der deutschen Tochtergesellschaft der russischen Gazprom OAO (Kläger) war in den 1980er Jahren nachweislich mehrere Jahre als „Offizier im besonderen Einsatz“ für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (Stasi) tätig, wofür er auch monatliche Zahlungen erhielt. Dennoch gab er 2007 im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens eine falsche eidesstattliche Versicherung ab, wonach er „niemals Angestellter oder sonst wie hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit“ gewesen sei. Das zuständige Landgericht leitete die Sache an die Staatsanwaltschaft weiter, die ein Ermittlungsverfahren eröffnete. Ende 2008 wurde das Verfahren gegen eine Zahlung nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt. Über diesen Vorgang berichtete die Beklagte über ihr Internetportal www.welt.de mit einem Artikel vom 06.05.2008. Sie nennt dabei den Kläger namentlich und geht auf dessen Stasi-Vergangenheit ein. Nach Einstellung des Verfahrens überarbeitete die Beklagte den Artikel durch einen „Nachtrag“, mit dem auf die Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage hingewiesen wird. Der Artikel ist noch abrufbar. Durch das Bereithalten des Artikels fühlt sich der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er verlangt daher von der Beklagten die Unterlassung der ihn identifizierenden Berichterstattung.

Nachdem das erstinstanzliche Landgericht Hamburg (Urt. v. 12.08.2011 – 324 O 203/11) die Klage zunächst abgewiesen und das OLG Hamburg der Klage in zweiter Instanz antragsgemäß stattgegeben hatte (Urt. v. 29.11.2011 – 7 U 80/11), hob nun der BGH die Berufungsentscheidung auf und wies die Klage ab.

Zur Begründung führt der BGH in seiner Pressenachricht vom 30.10.2012 aus:

„Zwar liegt nach Auffassung des BGH in dem Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf im Internet ein Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht. Der Eingriff sei aber nicht rechtswidrig, da das Schutzinteresse des Klägers hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten hat. Die namentliche Bezeichnung des Klägers in dem streitgegenständlichen Beitrag war zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Veröffentlichung im Mai 2008 rechtmäßig. In dem Beitrag werde wahrheitsgemäß und sachlich ausgewogen über die Einleitung und die Hintergründe des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger berichtet. Die besonderen Umstände der dem Kläger vorgeworfenen Straftat begründeten ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Bei der Gewichtung des Informationsinteresses seien die die Besonderheiten des Streitfalles, insbesondere die nunmehrige Funktion des Klägers, Anlass und Zweck der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass sich die Meldung kritisch mit der Frage auseinandersetzt, wie der Kläger mit seiner Stasi-Vergangenheit umgeht, und sie damit einen Beitrag zur Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft leistet. Das Bereithalten der den Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf sei auch weder durch die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO noch infolge des Abmahnschreibens des Klägers vom 07.02.2011 rechtswidrig geworden. Durch die Einstellung des Strafverfahrens habe die Meldung ihre Aktualität nicht verloren. Die Persönlichkeitsbeeinträchtigung, die durch die weitere Abrufbarkeit der Meldung über die Einleitung und die nachfolgende Einstellung des Strafverfahrens wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides Statt verursacht wird, sei nicht schwerwiegend. Demgegenüber bestehe ein gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit an der Möglichkeit, sich durch eine aktive Suche nach der Meldung über die darin dargestellten Vorgänge und Zusammenhänge zu informieren.“