Der BGH hat mit Urteil vom 22.10.2009 (Az. I ZR 73/07) entschieden, dass bei gerichtlicher Inanspruchnahme wegen einer Spitzenstellungsbehauptung (Alleinstellungs- oder Spitzenstellungswerbung) den Beklagten zwar grundsätzlich eine prozessuale Aufklärungspflicht hinsichtlich der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Alleinstellungsbehauptung trifft, dies jedoch nicht gilt, wenn der Kläger ausnahmsweise selbst über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um die Richtigkeit der beanstandeten Behauptung beurteilen zu können.
Zum Sachverhalt:
Es wurde gegen die Werbeaussagen in einem Werbeflyer einer neu gegründeten Firma geklagt. Vorher beschäftigte die Klägerin die Geschäftsführer sowie einige Mitarbeiter der Beklagten selbst. Von der Klägerin wurden folgende Textpassagen gerügt:
„Hier spiegelt sich Erfahrung. (…)“ und „Der Name Hotec ist neu für Sie? Das wundert uns nicht. Vielleicht kommen Ihnen aber die Gesichter von Hotec bekannt vor. (…) In der Summe bündeln wir für Ihre Werkzeuge eine Material- und Verfahrenskompetenz in Politur, Laserschweißen und Oberflächenschutz, die am Markt ihresgleichen sucht.
Der BGH hat nun die Klage auf Unterlassen, Auskunftserteilung, Feststellung einer Schadensersatzpflicht und Erstattung der Abmahnkosten (Ansprüche gem. §§ 5, 6 UWG) abgewiesen.
Gemäß BGH werde für die mit diesem Werbeflyer ausschließlich angesprochenen Fachkreise hinreichend deutlich, dass sich die Streit gegenständliche Aussage „Hier spiegelt sich Erfahrung.“ Nur auf die Erfahrung der beschäftigten Mitarbeiter der neu gegründeten Firma beziehe. Die Werbung treffe keine Aussage über das Unternehmensalter. Im Übrigen werde die Aufmerksamkeit des Lesers gezielt auf die „Jugendlichkeit“ des Unternehmens gelenkt.
Bezüglich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast führt der BGH weiter aus, „die im Bereich der Spitzenstellungs- und Alleinstellungswerbung grundsätzlich geltende Aufklärungspflicht des Werbenden bestehe im vorliegenden Fall nicht. Die von der Beklagten behauptete Spitzenstellung ergebe sich aus der Kompetenz ihrer Mitarbeiter, die diese im Rahmen ihrer vorangegangenen beruflichen Tätigkeit gesammelt hätten. Da diese zuvor bei der Klägerin beschäftigt waren, hätte diese ohne Weiteres und direkt aus eigener Kenntnis deren möglicherweise mangelnde fachliche Qualifikation beweisen können. Mangels Abrede der beruflichen Qualifikation sei die Unwahrheit der Alleinstellungsbehauptung nicht nachgewiesen.“
Kommentar:
Vorliegende Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung, die eine Beweislasterleichterung für den Kläger nur dann vorsieht, wenn er die vom Beklagten beanspruchte Spitzengruppenzugehörigkeit nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten widerlegen kann (vgl. u.a. „Schuhmarkt-Entscheidung“ des BGH, in GRUR 1983, 779ff.). Wenn der Kläger eigenständig über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, besteht eine solche Schwierigkeit nicht.
Somit muss im Einzelfall geprüft werden, ob es dem Kläger anhand eigener Kenntnis und Erfahrung möglich ist, die vermeintliche Spitzenstellung des Konkurrenten zu widerlegen. Wenn dies der Fall ist, muss der Kläger dazu dezidiert vortragen und entsprechende Beweise vorlegen.