Rechtsnormen:                §§ 3, 4 Nr. 11 UWG; Art 2 Abs. 2 Nr. 5, Art 4. Abs. 3 S. 1, Art. 10 Abs. 1, Abs. 3, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 EGV 1924/2006, EUV 116/2010, Art. 6 Abs. 3 EUV, Art 10 MRK

Mit Beschluss vom 13.01.2011 (Az. I ZR 22/09) hat der BGH entschieden, dem EuGH zwecks Auslegung der EG-Verordnung  Nr. 1924/2006 (HCVO) über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Umfasst der Begriff der Gesundheit in der Definition des Ausdrucks „gesundheitsbezogene Angabe“ in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der EG-Verordnung Nr. 1924/2006 auch das allgemeine Wohlbefinden?

2. Falls die Frage 1 verneint wird: Zielt eine Aussage in einer kommerziellen Mitteilung bei der Kennzeichnung oder Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, zumindest auch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden oder aber lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden ab, wenn sie auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der EG-Verordnung Nr. 1924/2006 genannten Funktionen in der in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung beschriebenen Weise Bezug nimmt?

3. Falls die Frage 1 verneint wird und eine Aussage im in der Frage 2 beschriebenen Sinn zumindest auch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden abzielt: Entspricht es unter Berücksichtigung der Meinungs- und Informationsfreiheit gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 10 EMRK dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine Aussage, wonach ein bestimmtes Getränk mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent den Körper und dessen Funktionen nicht belastet oder beeinträchtigt, in den Verbotsbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der EG-Verordnung Nr. 1924/2006 einzubeziehen?

(Leitsätze des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Es klagt ein Wettbewerbsverein gegen eine Spirituosen-Vertreibs-GmbH wegen deren Werbeslogan „Gurktaler Alpenkräuter – Der wohltuende und bekömmliche Kräuterlikör“, da gemäß HCVO die Werbung mit nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Getränken mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol unzulässig sei. Nachdem das erstinstanzliche Landgericht die Klage mit der Begründung, die Begriffe „bekömmlich“ und „wohltuend“ bezögen sich nicht auf die Gesundheit, sondern lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden und seien somit von der HCVO nicht erfasst, abgewiesen hatte, überprüfte nun der BGH die Sache.

Nach Ansicht des Bundesrichter deute die Entstehungsgeschichte der HCVO darauf hin, dass Aussagen über das allgemeine Wohlbefinden eher keine „gesundheitsbezogenen Angaben“ iSv Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO seien. Andernfalls wäre es nicht zu erklären, wieso in Art. 10 Abs. 3 HCVO zwischen der „Gesundheit im Allgemeinen“ auf der einen und dem „gesundheitsbezogenen Wohlbefinden“ auf der anderen Seite unterschieden würde. Demzufolge sei „Wohlbefinden“ etwas anderes als „Gesundheit“. Daher treffe die Verordnung lediglich Aussagen zum „gesundheitsbezogenen Wohlbefinden“, nicht aber zum „allgemeinen Wohlbefinden“.

Daher stellt das Gericht heraus: „An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Verwendung der Bezeichnung „bekömmlich“ in Bezug auf den Kräuterlikör der Beklagten nach Ansicht des Senats als zulässig.“ Mit dieser Aussage werde „weder erklärt noch suggeriert noch auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass dem Produkt eine die Gesundheit fördernde Funktion“ zukomme.

Demgegenüber verstoße das Bewerben des Likörs mit der Aussage „wohltuend“ gegen Art. 4 Abs. 3 Satz 1, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5. So bringe der Begriff „wohltuend“ zumindest mittelbar zum Ausdruck, dass der Kräuterlikör den Gesundheitszustand verbessern könne. Der Durchschnittsverbraucher könne „wohltuend“ durchaus als gesundheitsbezogene Angabe verstehen, da er alkoholhaltige Kräuterdestillate mit arzneimittelrechtlicher Zulassung kenne, die „trotz moderaten Alkoholkonsums das Risiko koronarer Herzerkrankungen reduzierten“.

Kommentar:

Vorliegend wird deutlich, welch starke Einschränkungen sich aus Art. 4 Abs. 3 HCVO hinsichtlich der Werbung für Alkoholika ergeben. So erachtet der BGH den Begriff „bekömmlich“ noch als zulässig; bereits „wohltuend“ sei demgegenüber rechtswidrig.

Um Rechtssicherheit zu erhalten, bedarf dringend einer abschließenden Beurteilung durch den EuGH.