Heute hat der BGH eine Grundsatzentscheidung (Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens) zur Haftung von privaten Betreibern eines W-LAN Netzwerkes für Urheberrechtsverletzungen getroffen. Eine äußerst positive Entscheidung für Betroffene dieser Abmahnungen, die jährlich sicherlich im sechsstelligen Bereich versandt werden. Es ging dabei um die Frage, ob man als normaler Internetanschlussinhaber für das Herunterladen oder Hochladen von urheberrechtlich geschützen Dateien (Musiktitel, Filme, Hörbücher ect.) durch Dritte verantwortlich ist. Wenn also Fremde auf das Netzwerk von Außen zugreifen, weil dieses nicht ausreichend durch ein Paßwort bzw. eine sichere Verschlüsselung gesichert ist.

Die schlechte Nachricht zuerst: Eine Haftung des Anschlussinhabers auf Unterlassung besteht auch in diesem Fall. Er bestehe eine Pflicht zu angemessenen Sicherheitsmaßnahmen gegen den Zugriff Dritter auf das W-LAN. Der Anschlussinhaber kann daher abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert werden.

Die gute Nachricht: Die Haftung als Störer auf Unterlassung besteht nur, wenn keine Sicherung des W-LAN in Form des marktüblichen Standards zum Zeitpunkt der Einrichtung des Routers besteht. Wenn also ein Router im Jahre 2006 eingerichtet wurde, muss dieser nicht ständig auf den aktuellen Sicherheitsstand gebracht werden. Das könne man von Privatpersonen nicht verlangen. Das bedeutet ganz klar, dass in diesen Fällen noch nicht einmal ein Anspruch auf Unterlassung und Zahlung von Anwaltsgebühren besteht.
Gute Nachricht Nr. 2: Das Gericht lehnt Ansprüche auf Schadensersatz ab. Die Musikindustrie und deren Rechtsanwälte machen nämlich – oftmals im Wege eines Pauschalbetrages incl. Anwaltskosten – Schadenseratz i. H. v. mehreren hundert EUR geltend. Dem schiebt der BGH einen Riegel vor. Schadensersatz (in Form einer sog. fiktiven Lizenzgebühr) könne nicht verlangt werden. Zitat aus der heutigen Pressemitteilung:

Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hat der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht hat. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehlte.

Vorsatz wird man nur im absoluten Ausnahmefall annehmen können. Daher besteht grundsätzlich keine Schadensersatzverpflichtung für fremde Zugriffe. Bei eigenem Handeln des Anschlussinhabers sieht dies natürlich anders aus.
Gute Nachricht Nr. 3: die Abmahngebühren sind auf 100,00 EUR gedeckelt. Der BGH geht also davon aus, dass die Vorschrift des § 97a II UrhG anzuwenden ist. Das überrascht allerdings nicht, da es hier nur um einen einzelnen Musiktitel ging. Wie die Sache bei einem Album oder mehreren Titeln ausgegangen wäre, bleibt offen. Dazu können die Urteilsgründe vielleicht Anhaltspunkte geben, die aber noch nicht vorliegen. Aber wie bereits gesagt: wenn das W-LAN ausreichend, also marktüblich gesichert ist, müssen auch diese Gebühren nicht bezahlt werden.

Fazit:

Es könnte also durchaus sein, dass das gesamte Abmahnungsgeschäftsmodell Filesharing mehr oder weniger in sich zusammenbricht. Daher ist es jetzt umso wichtiger, nicht voreilig eine bzw. die vorformulierte Unterlassungserklärung aus der Abmahnung abzugeben, ohne sich vorher anwaltlich beraten zu lassen.

Probleme bereitet dieses Urteil allerdings den kommerziellen Betreibern offener WLAN („Hotspots„). Diese sehen sich weiterhin Abmahnungen auf Unterlassung ausgesetzt. Außerdem sind dort die Anwaltskosten der Abmahnung nicht auf 100,00 EUR begrenzt, da es dort um gewerblich genutzte Netzwerke geht. Daran könnte nur eine Registrierungs- und Auweisungspflicht der Teilnehmer etwas ändern. Ob dies technisch umsetzbar ist, muss abgewartet werden.