Rechtsnorm: §§ 4, 9 UWG; §§ 2, 3 MPG; § 2 AMG

Der BGH hat mit Urteil vom 10.12.2009 (Az. I ZR 189/07) entschieden:

  1. Ein Darmreinigungsmittel, das seine Wirkung auf osmotischem und physikalischem Weg erreicht, ist kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt.
  2. Bestimmungen, die produktbezogene Absatzverbote oder Absatzbeschränkungen regeln oder Informationspflichten hinsichtlich des Umgangs mit den von den Kunden erworbenen Produkten begründen, stellen regelmäßig Marktverhaltensregelungen iSd § 4 Nr. 11 UWG dar.
  3. Der Schutzzweck des § 9 UWG steht nicht dem Anspruch eines Mitbewerbers entgegen, der von demjenigen, der sich durch die Verletzung einer ausschließlich dem Schutz der Verbraucher dienenden Marktverhaltensregelung einen Vorsprung im Wettbewerb verschafft hat, den ihm dadurch entstandenen Schaden ersetzt verlangt.

(Leitsätze des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Ein Apotheker vertreibt ein selbst hergestelltes Präparät (Inhaltsstoffe: Macrogol und verschiedene Salze) zur Darmreinigung vor diagnostischen Untersuchungen oder Operationen im Darmbereich. Der Inhaltsstoff Macrogol bewirkt eine Volumenvergrößerung und Hydratisierung (chemische Reaktion, bei der Wassermoleküle an ein Substrat addiert werden) des Stuhls. Hierdurch wird ein Druck auf die Darmwand ausgelöst, der den Defäkationsrefelex auslöst. Eine Wettbewerberin, die ein als Arzneimittel zugelassenes Darmreinigungsmittel vertreibt, verklagt den Apotheker nun wegen Vertriebs eines nicht zugelassenen Präparats auf Unterlassung und Schadensersatz. Im Übrigen macht sie hilfsweise geltend, das Mittel des Apothekers sei als Medizinprodukt ohne CE-Kennzeichnung nicht verkehrsfähig. Beide Vorinstanzen (LG und OLG Hamburg) gaben der Klage statt.

Nun gibt der BGH der Klage lediglich hinsichtlich des Hilfsantrages statt. So handele es sich nach Ansicht des BGH bei dem Präparat um ein Medizinprodukt, das zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten iSv § 3 Nr. 1 lit. a MPG diene. Es entfalte seine Hauptwirkung, die Darmentleerung, auf physikalischem und osmotischem Weg und gerade nicht auf pharmakologische oder immunologische Weise, wie es für ein Arzneimittel erforderlich sei. Im Gegensatz zum OLG Hamburg erkennt der BGH trotz einer pharmakologischen Wirkung der Salze das Präparat nicht als Arzneimittel an. Es unterstütze lediglich die bestimmungsgemäße Hauptwirkung. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 MPG (Vertrieb eines Produktes ohne CE-Kennzeichnung) sei deshalb anzunehmen und das Präparat daher iSv § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig, da es sich nicht um eine Sonderanfertigung nach § 3 Nr. 8 MPG handele:

„Das Präparat des Beklagten stellt ferner kein auch beim Vorliegen der Voraussetzungen eines Medizinprodukts iSv § 3 Nr. 1 bis 3 MPG gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 MPG, § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG als Arzneimittel zu behandelndes Diagnostikum iSd § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG dar. Soweit es auch der Darmreinigung unmittelbar vor einer diagnostischen Untersuchung (Koloskopie) bestimmt ist, dient es noch nicht der Befunderhebung, sondern schafft erst die Voraussetzung für die Erhebung eines Befundes.

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht erweist sich der Hilfsantrag I a unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte sein Präparat erst seit dem 16. Januar 2007 mit einer CE-Kennzeichnung vertreibt, und im Hinblick darauf, dass es sich nicht um Sonderanfertigungen i.S. des § 3 Nr. 8 MPG handelt, als begründet (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG; vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2008, Az. I ZR 133/07, WRP 2008, 1333 – In-vitro-Diagnostika; Urt. v. 9.7.2009, Az. I ZR 193/06 – CE-Kennzeichnung).“

Die Bundesrichter betonen, § 4 Nr. 11 UWG finde auf den Verstoß gegen Marktverhaltensregelungen Anwendung. Dies gelte auch, wenn lediglich die Sicherheit oder sonstige Rechtsgüter der Verbraucher und anderer Marktbeteiligter geschützt werden sollen. Der BGH lehnt auch eine eingeschränkte Auslegung des § 9 UWG ab.

Kommentar:

Parallel zu vorliegendem BGH-Urteil entschied das OLG Köln (Urt. v. 11.12.2009, Az. 6 U 90/09) hinsichtlich eines zusammengesetzten Darmreinigungsmittels anders. Dieses wurde als Arzneimittel eingestuft. Das Revisionsverfahren vor dem BGH ist noch nicht abgeschlossen. Daher bleibt abzuwarten, ob der BGH seine vorliegende Rechtsprechung bestätigen wird.