Rechtsnormen: § 4 UWG; §§ 3, 34 BOÄ

Mit Urteil vom 24.06.2010 (Az. I ZR 182/08) hat der BGH entschieden:

Es stellt eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf die ärztliche Behandlungstätigkeit dar, wenn durch das Gewähren oder Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils darauf hingewirkt wird, dass Ärzte entgegen ihren Pflichten aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden, ob sie einen Patienten an bestimmte Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen. (Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nimmt die Beklagte, ein Handelsunternehmen für Optikwaren, u.a. auf Unterlassung von Werbemaßnahmen für sein Betriebskonzept in Anspruch. Dieses Betriebssystem sieht vor, Augenärzten das Unternehmens-System zur Verfügung zu stellen, das aus einem Brillensortiment (zu Beginn ca. 100, später ca. 40 Musterbrillengestelle) und einem Computersystem zur individuellen Brillenanpassung besteht. Nach  Auswahl eines bestimmten Brillengestells in der Augenarztpraxis und Eingabe der persönlichen Patientendaten werden diese Informationen via Computersystem an die Beklagte übermittelt. Der Augenarzt erhält bei Patienten-Bestellungen von der Beklagten pro Brille eine Vergütung iHv 80 Euro, bei Mehrstärkenbrillen gar 160 Euro.

Der BGH gibt dem Unterlassungsantrag nun statt. Nach Ansicht des BGH stelle das Inaussichtstellen einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit einen erheblichen Anreiz dafür dar, dass Augenärzte entgegen ihren Pflichten aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden, ob sie einen Patienten an bestimmte Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen („verkürzter Versorgungsweg“). Hierin liege eine unsachliche unangemessene Einflussnahme auf die Behandlungstätigkeit des Arztes. In diesem Zusammenhang komme es auch nicht darauf an, ob die Vermittlungspauschale als eine der Höhe nach angemessene Entschädigung für den Aufwand angesehen werden kann, der durch die Mitwirkung des Arztes oder seines Personals bei der Aufnahme, Eingabe und Weitergabe der für die Brille erforderlichen Werte oder der Auswahl des Brillengestells entstehe. Selbst wenn dies der Fall wäre, verstieße die Teilnahme des Arztes an dem Brillen-Vertriebsmodell gegen seine Interessenwahrungspflicht und wäre daher unzulässig.

Kommentar:

Hinsichtlich einer Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Industrie hält es der BGH für unbeachtlich, ob die Ärzte für die Vergütung eine angemessene Gegenleistung erbringen. Grundsätzlich gilt, dass eine Zusammenarbeit von Ärzten mit der Industrie gemäß § 32 BOÄ dann unterbleiben muss, „wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass hiermit einer Zusammenarbeit nicht ein genereller Riegel vorgeschoben werden soll. So ist eine Kooperation bspw. im Bereich der Forschung unabdingbar. Daher galten Vergütungen bisher dann nicht als standesrechtswidrig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander standen. Für Kooperationen (mit Ausnahme von Forschungskooperationen, die der Gesetzgeber mehrfach ausdrücklich befürwortete) wird nach diesem Urteil in Zukunft entscheidend sein, dass dem ärztlichen Kooperationspartner  keine Aufgaben übertragen werden, die nicht in den originären Tätigkeitsbereich eines Mediziners fallen.