Rechtsnormen: Art. 11 EUGrdRCh; Art. 6 EGRL 29/2001; § 95a Abs. 3 UrhG; § 823 Abs. 2 BGB; Art. 5 Abs. 1 GG

Mit Urteil vom 14.10.2010 (Az. I ZR 191/08) hat der BGH entschieden:

Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit unterfallenden Beitrag elektronische Verweise (Links) auf fremde Internetseiten in der Weise eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst.

(Leitsatz des Gerichts)

Zum Sachverhalt:

Die Klägerinnen sind Inhaberinnen von Bild- und Tonträgerrechten an Musik-CDs und -DVDs. Beklagter ist ein Verlag, der unter anderem die Computer-Zeitschrift „c’t“ herausgibt und unter der Internetadresse www.heise.de den Nachrichtendienst „heise online“ betreibt. Unter anderem veröffentlichte der Beklagte bei ihrem Dienst „heise online“ einen Artikel über ein Programm zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen, die Software „AnyDVD“. Heise online macht unter anderem auch auf eine Rechtswidrigkeit der Software durch die Umgehung des Kopierschutzes aufmerksam. Die Internetpräsenz des Herstellers dieser Software ist mit dem Artikel verlinkt. So führt der Link zunächst auf die Hersteller-Hauptseite und wird von dieser automatisch auf die Downloadseite für die Software weitergeleitet.

Mit ihrer Klage verfolgen die Klägerinnen ein Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Links. Sie sehen in der Verlinkung eine Unterstützung der Verbreitung der AnyDVD-Software und somit einen Verstoß gegen § 95 a UrhG. Das Verhalten stelle demnach gar eine „verbotene Werbung“ für den Verkauf der Software dar.

Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgaben, revidierte nun der BGH die Entscheidung des OLG München und wies die Klage ab.

Demnach stehe den Klägerinnen kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB iVm § 95 a Abs. 3 UrhG zu, da die beanstandeten Handlungen des Beklagten vom Recht auf freie Meinungsäußerung und freie Berichterstattung (Art. 6 Abs. 2 EUV iVm Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta, Art. 5 Abs. 1 S. 1 bzw. 2 GG) voll umfasst seien.

Das OLG hatte noch angenommen:

Ausschlaggebend sei im Streitfall, dass der Beklagte in Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Angebots von SlySoft und damit vorsätzlich gehandelt habe. Jedenfalls wenn Verletzungen urheberrechtlicher Schutzgesetze wie im Streitfall gewerbsmäßig und in erheblichem Umfang erfolgten, rechtfertigten weder der grundrechtliche Schutz der Medien im Allgemeinen noch die besondere Methode der Linksetzung für den Online-Journalismus eine vorsätzliche Unterstützung der Rechtsverletzung.

Der BGH sieht das anders:

Da die beanstandeten Beiträge des Beklagten einschließlich der dort gesetzten Links dem Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit unterfallen, stehen den Klägerinnen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche schon aus diesem Grund auch nicht nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu. Die Frage, ob diese Grundsätze bei Verstößen gegen § 95 a UrhG überhaupt zur Anwendung gelangen, kann daher offenbleiben.“

Kommentar:

Die Bundesrichter stellen unter Verweis auf eigene ältere Rechtsprechung mit vorliegendem Urteil klar, dass eine Berichterstattung auch über rechtswidrige Handlungen möglich sein kann, wenn ein überwiegendes (gesellschaftliches) Informationsinteresse besteht und der Kommunikator hierbei weiterhin journalistisch neutral bliebt, sich die verbreitete Aussage insbesondere nicht zu Eigen macht.