Rechtsnormen: § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG

Mit Urteil vom 26.04.2012 (Az. V R 2/1) hat der BFH entschieden, dass der Verkauf einer Vielzahl von Gegenständen über die Internet-Plattform „eBay“ eine der Umsatzsteuer unterliegende (nachhaltige) unternehmerische Tätigkeit sein kann. Die Beurteilung einer Nachhaltigkeit hängt nicht von einer bereits beim Einkauf vorhandenen Wiederverkaufsabsicht ab.

Zum Sachverhalt:

Klägerin ist eine aus einem Ehepaar bestehenden GbR, die via eBay in den Jahren 2001 bis 2005 unterschiedliche Gegenstände wie Briefmarken, Puppen, Modelleisenbahnen, Teppiche, Porzellan, etc. verkaufte. Die Verkäufer gaben jeweils bei der Angebotserstellung an, es handele sich um Privatverkäufe.

Folgende Erlöse wurden dabei erzielt: DM 2617 (Jahr 2001, 16 Verkäufe); EUR 24963 (Jahr 2002, 356 Verkäufen), EUR 27637 (Jahr 2003, 328 Verkäufen), EUR 20946 (Jahr 2004, 226 Verkäufen) und  EUR 34917 (Jahr 2005, 287 Verkäufen).

Vom zuständigen Finanzamt wurden diese Erlöse als nachhaltige und somit unternehmerische Tätigkeit behandelt. Die Klägerin erhob hiergegen Klage beim Finanzgericht, das die Ansicht des Finanzamts bestätigte.

Der Bundesfinanzhof hatte nun im Revisionsverfahren die grundsätzliche Frage zu klären, ob solche Geschäfte über Internethandelsplattformen wie „eBay“ als unternehmerische Tätigkeit einzuordnen sind. Die „Kläger“ vertreten dabei die Ansicht, sie seien nicht unternehmerisch tätig gewesen, da sie von Anfang an lediglich vorgehabt hätten, ihre Sammlungen aufzulösen. So hätten sie die Sammlungsstücke nicht mit Wiederverkaufsabsicht erworben und hätten durch die Verkäufe lediglich ihr Vermögen umgeschichtet. Insoweit seien die Verkaufsaktivitäten von vornherein bis zum Verkauf des letzten Sammlungsstücks begrenzt gewesen. Auch ergebe sich der private Charakter der Verkäufe aus dem bei „eBay“ geführten Profil. So hätten die „Kläger“ bewusst einen Privatzugang und nicht einen auf gewerbliche Tätigkeit ausgerichteten „Shop-Zugang“ ausgewählt.

Der BFH entschied nun unter Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung, dass die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen ist, wobei eine Reihe verschiedener, nicht abschließend festgelegter Kriterien zu würdigen ist. Die Würdigung des Finanzgerichts, nach der die vorliegende Verkaufstätigkeit der „Kläger“ als nachhaltig einzuordnen ist, sei möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Gericht führt hierzu aus:

„Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des BFH im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erfüllt sind. Dabei ist eine Reihe verschiedener (nicht abschließend festgelegter) Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können (z.B. BFH-Urteile vom 27. Januar 2011 V R 21/09, BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, unter II.2.; in BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.1.b). Insbesondere sind zu würdigen: die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten eines Geschäftslokals (BFH-Urteil in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, unter II.2., m.w.N.). Dass bereits beim Einkauf eine Wiederverkaufsabsicht bestanden hat, ist entgegen der Auffassung der Klägerin kein für die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit alleinentscheidendes Merkmal (vgl. EuGH-Urteil Slaby und Kuæ in DStRE 2011, 1417 Rdnrn. 26 und 49; BFH-Urteile vom 7. September 2006 V R 6/05, BFHE 215, 331, BStBl II 2007, 148 zum Testamentsvollstrecker; vom 9. September 1993 V R 24/89, BFHE 172, 234, BStBl II 1994, 57 zur Veräußerung der einem Verein mehrfach von Todes wegen zugewandten Haushaltsgegenstände durch den Verein; vom 24. November 1992 V R 8/89, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379 zur Veräußerung einer privaten Kunstsammlung durch den Erben eines Kunsthändlers). Dass Zahl und Umfang der Verkäufe für sich genommen nicht allein maßgeblich sind (EuGH-Urteil Slaby und Kuæ in DStRE 2011, 1417 Rdnr. 37), entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, derzufolge die Zahl der Geschäftsvorfälle nur eines von mehreren zu würdigenden Kriterien ist (z.B. BFH-Urteil in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, unter II.2.).

Die Würdigung des FG, wonach es sich bei den Verkäufen im Streitfall um eine nachhaltige Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG handelt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit besondere Bedeutung zu (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, unter II.2.; in BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.1.). Der BFH prüft als Revisionsinstanz nur, ob dem FG bei der tatsächlichen Würdigung Rechtsverstöße unterlaufen sind. Eine Bindung an die Würdigung des FG ist gegeben, wenn diese möglich war und das FG weder gegen Denkgesetze verstoßen noch wesentliche Umstände vernachlässigt hat. Ob auch ein anderes Ergebnis der Würdigung vertretbar gewesen wäre, ist nicht entscheidend (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, unter II.2.b, m.w.N.).

Das FG hat ausdrücklich auf das Gesamtbild der Verhältnisse abgestellt und berücksichtigt, dass mehrere, nicht allein ausschlaggebende Merkmale gegeneinander abgewogen werden müssen. Nach den Feststellungen des FG haben „die Kläger“ im Jahr 2001 aus 16 Verkäufen 2.617 DM, im Jahr 2002 aus bereits 356 Verkäufen 24.963 EUR und in den Streitjahren 2003 bis 2005 aus insgesamt 841 Verkäufen 83.500 EUR erzielt und dabei einen erheblichen Organisationsaufwand betrieben. Hierbei hat das FG berücksichtigt, dass ein Verkäufer –wie auch im Streitfall „die Kläger“– „sich für jeden einzelnen zur Internet-Versteigerung anstehenden Gegenstand Gedanken zu dessen möglichst genauer Bezeichnung, zu seiner Platzierung in der einschlägigen Produktgruppe und über ein Mindestgebot machen und zur Erhöhung der Verkaufschancen und des erzielbaren Erlöses für den Gegenstand in aller Regel mindestens ein digitales Bild anfertigen muss. Außerdem muss der Verkäufer den Auktionsablauf auf ‚ebay‘ in regelmäßigen Abständen überwachen, um rechtzeitig auf Nachfragen von Kaufinteressenten reagieren zu können, sofern diese die auf der Auktionsseite eingestellten Wareninformationen als nicht ausreichend erachten. Nach Beendigung der jeweiligen Auktion muss der Verkäufer zudem den Zahlungseingang überwachen, um die Ware anschließend zügig verpacken und versenden zu können“. Das FG hat diesen Sachverhalt ohne Verstoß gegen Denkgesetze und ohne Vernachlässigung wesentlicher Umstände dahingehend gewürdigt, dass eine intensive und langfristige Verkaufstätigkeit unter Nutzung bewährter Vertriebsmaßnahmen („ebay“-Plattform) vorliegt, die deshalb als nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen ist. Ob dabei ausschließlich, wie „die Kläger“ meinen, auf die Geschäftsvorfälle in den Streitjahren abzustellen ist oder ob in die Gesamtbetrachtung auch die Verkäufe in den beiden Vorjahren einzubeziehen sind, ist unbeachtlich, weil im Regelfall nicht allein die Anzahl an Verkäufen zur Nachhaltigkeit führt. Ohne Verstoß gegen Denkgesetze hat das FG die nach seinen Feststellungen durchschnittlich in den Streitjahren ca. 280 über das Jahr, im Jahr 2005 nur über ein Halbjahr verteilten Einzelverkäufe als intensives Tätigwerden am Markt beurteilt und als einen Gesichtspunkt für das Vorliegen einer nachhaltigen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG bewertet. Ob der durchschnittliche Einzelverkaufspreis bei 92 EUR oder bei 80 EUR gelegen hat, spielt entgegen der Auffassung „der Kläger“ schon deshalb keine Rolle, weil es sich um einen nur geringfügigen Unterschied handelt. Es kommt auch nicht darauf an, ob „die Kläger“ einen privaten oder einen gewerblichen Zugang gewählt haben, weil die Merkmale der unternehmerischen Tätigkeit keinem Wahlrecht unterliegen.

Der Würdigung des FG stehen –entgegen der Auffassung „der Kläger“– nicht die Urteile des BFH in BFHE 150, 224, BStBl II 1987, 752 (Münzsammler) und in BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744 (Briefmarkensammler) entgegen. Der BFH hatte darin entschieden, dass Briefmarken- und Münzsammler nur dann als Unternehmer anzusehen sind, wenn sie sich wie Händler verhalten. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Nach den Feststellungen des FG waren die von „den Klägern“ vermarkteten Gegenstände 36 Produktgruppen zuzuordnen, d.h. es hätten 36 Sammlungen vorgelegen. Darüber hinaus veräußerten „die Kläger“ weitere Gegenstände, die sich keiner Produktgruppe zuordnen ließen. Die von den „Klägern“ laufend als Einzelstücke über eine auch von Händlern benutzte Vertriebsform verkauften Gegenstände umfassten ein weit gefächertes, vielfältiges Angebot aus den unterschiedlichsten Lebens- und Anwendungsbereichen. Das ist mit den vom X. Senat des BFH entschiedenen Fällen eines Münz- bzw. Briefmarkensammlers, der seine Sammlung en bloc aufgibt und versteigern lässt, nicht vergleichbar.

Das FG geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 19 UStG im Streitfall nicht vorliegen.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für die Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird. Diese Voraussetzungen waren in den Streitjahren nicht erfüllt, weil der jeweils maßgebliche Vorjahresumsatz 17.500 EUR überstiegen hat. Die Umsatzgrenze von 50.000 EUR hat keine eigene Bedeutung, wenn der Vorjahresumsatz bereits die Grenze von 17.500 EUR übersteigt; Bedeutung hat die Umsatzgrenze nur für den Fall, dass die Umsätze des vorangegangenen Jahres geringer sind als 17.500 EUR, aber im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 EUR übersteigen (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 V B 164/06, BFHE 219, 400, BStBl II 2008, 263, unter II.2.b, m.w.N.).“

Kommentar:

Dennoch hob der BFH die Entscheidung des Finanzgerichts unter Zurückverweisung an das FG wieder auf, da die Feststellungen des Finanzgerichts nicht ausreichten, um rechtssicher beurteilen zu können, ob tatsächlich die GbR (bestehend aus beiden Eheleuten) oder nur der Ehemann handelte. Zudem schien dem BFH im Gegensatz zum FG die teilweise Anwendung ermäßigter Steuersätze möglich.