Rechtsnorm: § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG

Mit Urteil vom 15.05.2012 (Az. XI R 16/10) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Unternehmer, der über seine Internetseite Nutzern die Möglichkeit verschafft, kostenpflichtiges pornographisches Material zu beziehen, auch dann umsatzsteuerpflichtig ist, wenn die Dateien erst über eine Weiterleitung auf eine ausländische Internetseite zugänglich sind und der deutsche Seitenbetreiber dies zuvor nicht deutlich kenntlich machte, er insoweit nicht ausdrücklich auf eine etwaige Vermittlertätigkeit hingewiesen hatte.

Zum Sachverhalt:

Klägerin ist die Betreiberin einer Internetseite, mittels derer Nutzer die Möglichkeit haben, kostenpflichtige Pornobilder und -videos anzusehen. Dies erfolgt via Weiterleitung auf eine Internetseite eines spanischen Unternehmens. Das spanische Unternehmen stellte eine kostenpflichtige Sonderrufnummer sowie eine Einwahlplattform zur Verfügung. Die Nutzer der deutschen Internetseite konnten sich mittels eines sog. Webdialers einwählen. Die Gebühren wurden über die Telefonrechnungen abgerechnet. Das spanische Unternehmen leitete nach Abzug einer Provision die Zahlungseingänge an die Klägerin weiter. Diese Umsätze betrachtete die Klägerin als nicht steuerbar. Zur Begründung führt sie aus, dass eine Internetseite, die lediglich einladend auf mögliche Nutzer wirke und die auf eine andere Internetseite weiterleite, gegenüber Nutzern keine eigenen Leistungen erbringe.

Nachdem das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen hatte, bestätigte nun der BFH die erstinstanzliche Entscheidung. Er ist der Ansicht, dass ein Seitenbetreiber, der im Internet kostenpflichtige Leistungen anbietet, mit einem Unternehmer zu vergleichen ist, der in seinem eigenen Laden Waren verkauft. Nur wenn der Seitenbetreiber bzw. Ladeninhaber vor dem oder beim Geschäftsabschluss eindeutig zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde dies auch erkennt und sich damit einverstanden erklärt, kann eine Vermittlereigenschaft umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden.

Das Urteil liegt bereits im Volltext vor. Hier einige Auszüge aus der Begründung:

„Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Satz 1) UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Für die Besteuerung eines Unternehmers (§ 2 Abs. 1 UStG) als Steuerschuldner (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, früher § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG a.F.) ist demnach maßgebend, ob und welche Lieferungen oder sonstige Leistungen von ihm erbracht werden. Nach ständiger Rechtsprechung sind entgeltliche Leistungen steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. (…) Im Rahmen der Bestimmung der Leistungen und Leistungsbeziehungen ist zu beachten, dass derjenige, der im eigenen Laden Waren verkauft, umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler und nicht als Vermittler anzusehen ist. Denn der Kunde, der in einem Laden Waren kauft, will grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Ihm sind im Regelfall etwaige Vereinbarungen zwischen dem Ladeninhaber und einem Dritten, wonach es sich lediglich um eine Vermittlungstätigkeit handeln soll, nicht bekannt. Sie werden ihn im Allgemeinen auch nicht interessieren. Vermittler kann der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen demjenigen, von dem er die Ware bezieht, und dem Käufer unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen. Auf das Innenverhältnis des Ladeninhabers zu seinem Vertragspartner, der Waren oder Leistungen zur Verfügung stellt, kommt es für die Frage, ob Eigenhandels- oder Vermittlungsgeschäfte vorliegen, nicht entscheidend an. Wesentlich ist das Außenverhältnis, d.h. das Auftreten des Ladeninhabers dem Kunden gegenüber. Nur wenn der Ladeninhaber in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann die Vermittlereigenschaft des Ladeninhabers umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden. Diese Grundsätze gelten –wovon das FG mit Recht ausgegangen ist– auch für die Erbringung von sonstigen Leistungen (vgl. Bunjes/Robisch, UStG, 11. Aufl., § 1 Rz 98), soweit sie im Internet angeboten werden. Denn der Betreiber einer Internetseite, der dort kostenpflichtige Leistungen anbietet, ist –worauf die Vorentscheidung zu Recht hinweist– vergleichbar mit einem Unternehmer, der im eigenen Laden Waren verkauft. So wie dieser umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler anzusehen ist, ist der Betreiber einer Internetseite als derjenige zu behandeln, der die dort angebotenen kostenpflichtigen Leistungen erbracht hat. Der Kunde, der in einem Laden Waren kauft, will –wie dargelegt– grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Entsprechendes gilt für den Nutzer, der über das Internet eine kostenpflichtige Leistung abruft und über seine Telefonrechnung bezahlt; auch ihm sind etwaige Vereinbarungen zwischen dem Betreiber der von ihm aufgerufenen, die Leistungen anbietenden Internetseite und einem Dritten –wie im Streitfall der S.R.L.– weder bekannt noch für ihn von Interesse. Auch bei über das Internet bezogenen kostenpflichtigen Leistungen ist das Außenverhältnis wesentlich, d.h. das Auftreten des Betreibers einer Internetseite dem Nutzer gegenüber. Nur wenn der Betreiber einer Internetseite in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann dessen Vermittlereigenschaft umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden.         

Hiernach hat das FG im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin als Betreiberin der Interseite „… .de“ die von den Nutzern abgerufenen kostenpflichtigen Bilder und Videos erotischer und pornografischer Art als Leistende erbracht hat. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind die auf tatsächlichem Gebiet liegenden und den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG, dass der Klägerin nur solche Seitenaufrufe vergütet wurden, bei denen die Internetnutzer über die von der Klägerin betriebenen Website „… .de“ zu den kostenpflichtigen Bildangeboten gelangten und dass dieser Website nicht zu entnehmen war, dass die Nutzer dabei auf eine andere Website weitergeleitet wurden. Die Würdigung des FG, aus der Sicht der Nutzer habe die „Einstiegsseite … .de“ im Vordergrund gestanden, so dass die Klägerin als Erbringerin der Leistung erschienen sei, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. Sie ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze. Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Soweit die Klägerin vorbringt, mit einer Internetseite, die –wie ihre– „einladend“ auf eine andere verweise bzw. auf eine andere weiterleite, würden gegenüber dem Nutzer keine Leistungen erbracht, hat das FG indes keine Feststellung dahingehend getroffen, dass die Klägerin mit ihrer Internetseite „einladend“ auf eine andere verweisen oder weiterleiten würde. Der BFH ist grundsätzlich an den vom FG festgestellten Sachverhalt gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Etwas anderes ergibt sich entgegen dem Revisionsvorbringen auch nicht daraus, dass die Internetseite der Klägerin –was die Vorentscheidung dahinstehen ließ– weder ein Impressum noch sonstige Angaben zum Anbieter enthalten hätte. Es reicht aus, dass –wie das FG zutreffend entschied– die Klägerin als Betreiberin der Internetseite „… .de“ bestimmbar gewesen sei. Selbst wenn –wie die Klägerin meint– der Nutzer auf die S.R.L. gestoßen wäre, wenn er den Betreiber der Internetseite, auf der er zum Vertragsabschluss aufgefordert worden sei, ermittelt hätte, wäre die Klägerin als Leistungserbringerin zu behandeln. Denn dem Nutzer sind etwaige Vereinbarungen zwischen dem Betreiber der von ihm zum Abruf der gesuchten Inhalte zunächst aufgerufenen Internetseite und einem Dritten weder bekannt noch für ihn von Interesse (dazu vorstehend unter II.2.d). Die behauptete Möglichkeit, die S.R.L. zu identifizieren, besagt noch nicht, dass die S.R.L. als Leistende aufgetreten ist. Aus gleichem Grund ist –wie die Vorentscheidung zutreffend erkannt hat– der Zahlungsfluss für die Bestimmung des Leistenden nicht entscheidend. Es kommt daher weder darauf an, wer auf den Telefonrechnungen der Nutzer im Zusammenhang mit den bezogenen kostenpflichtigen Inhalten ausgewiesen worden war, noch darauf, dass –wie die Klägerin vorbringt– die S.R.L. die erforderlichen Verträge mit den Telefongesellschaften abgeschlossen hatte.          

Dem FG ist auch darin zu folgen, dass sich der Ort der von der Klägerin erbrachten sonstigen Leistungen im Inland befand. Für die bis zum 30. Juni 2003 ausgeführten Umsätze kann dahinstehen, ob –wie das FG meint– die Zurverfügungstellung pornografischen Bildmaterials über das Internet als eine Veranstaltung einer unterhaltenden Leistung i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG a.F. zu behandeln sei, die die Klägerin an ihrem Ansässigkeitsort in Deutschland durch Koordination weiterer Dienstleister ausgeführt habe. Selbst wenn die Zurverfügungstellung pornografischen Bildmaterials über das Internet nicht als unterhaltende Leistung i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG a.F. zu qualifizieren wäre, hätte sich der Ort der von der Klägerin bis zum 30. Juni 2003 erbrachten sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. im Inland befunden. Nach dieser Vorschrift wurde eine sonstige Leistung vorbehaltlich der –hier nicht anwendbaren– §§ 3b und 3f UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betrieb (§ 3a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F.). Die Klägerin betrieb ihr Unternehmen im Inland.“