Unter welchen Umständen darf ein Arbeitgeber den Browserverlauf seines Arbeitnehmers, ohne dessen Zustimmung durchsuchen? Über diese Frage wurde vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 14.01.2016 entschieden.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie einer Reihe von Zahlungsansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt. Am 05.03.2014 wurde dem Kläger von seinem Vorgesetzten vorgehalten, dass sein Internet-Datenvolumen deutlich über dem Durchschnitt der restlichen Beschäftigten lag. Die Frage, ob er das Internet auch privat nutzt, bejahte der Kläger. Daraufhin wurde dem Kläger von seinem Vorgesetzten ein Entwurf eines Aufhebungsvertrages vorgelegt. Der Kläger lehnte eine Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 11.03.2014 ab, daraufhin wurde ihm von der Beklagten am 14.03.2014 die außerordentliche fristlose Kündigung erteilt.

Im Verfahren der 1.Instanz wurde von der Beklagten Beweis über die private Internetnutzung des Klägers anhand dessen Browserverlauf vorgetragen. Dabei wurden im Zeitraum von 30 Arbeitstagen zwischen dem 06.01.2014 und dem 04.03.2014 16.369 Seitenaufrufe, ohne dienstlichen Inhalt festgestellt. Dabei habe er 128 mal die Internetseite „goldesel.to“ aufgerufen, die Links zu Download-Servern und Filehostern enthalte, 1.510 mal habe er auf „comdirect.de“ und „deutschebank.de“ zugegriffen, 1.412 mal auf „amazon.de“ und „ebay.de“, 1.603 mal auf den Maildienst „gmx.de“, 5.847 mal auf die Partnerbörse „finya.de“ und 1.852 mal auf „petgirls.de“, „sklavenmarkt.de“ und „poppen.de“, Seiten mit fetischistischen Darstellungen von Frauen als Tier, Online-Communities der Sado-Maso-Szene und Online-Sex-Foren. Ferner habe die Beklagte auf dem Rechner eine Datei mit pornografischem Bildmaterial gefunden, sowie gelöschte Musikdateien mit auf illegale Downloads hinweisenden Kommentaren wiederherstellen können und festgestellt, dass es einen illegalen Download des Films „Wolf of Wallstreet“ gegeben hat.

Anhand dieser Beweislage wurde die Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht als unbegründet abgelehnt. In seiner Berufung trägt der Kläger unter anderem vor, dass das Arbeitsgericht ignoriert habe, dass die Analyse des Browserverlaufs unzulässig und technisch unmöglich sei. Weiterhin habe im Hinblick auf eine fehlende Einwilligung des Klägers in die Speicherung und Verwertung der Daten des Browserverlaufs und aufgrund von § 32 BDSG, Vorschriften des TKG, TMG und TDG sowie der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der ausgewerteten Verlaufsdaten bestanden.

Entscheidungsbegründung:

Der Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 14.01.2016 nicht stattgegeben. In der Zivilprozessordnung gibt es kein ausdrückliches Verwendungsverbot für rechtswidrig erlangte Beweismittel. Tatsächlich folgt aus § 286 ZPO in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht der Gerichte die angebotenen Beweise zu berücksichtigen. Für ein Beweisverwertungsverbot bedürfte es demnach einer besonderen gesetzlichen Grundlage. In Frage kommt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 BDSG. Zweck des Bundesdatenschutzgesetzes ist es demnach, den Einzelnen vor Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht zu schützen. Eingriffe in die personenbezogenen Daten sind gemäß § 4 Abs. 1 BDSG nur erlaubt, wenn sie gesetzlich gerechtfertigt sind oder die betroffene Person eingewilligt hat. Eine Betriebsvereinbarung, welche die Auswertung der Browserdaten nach § 4 Abs. 1  BDSG ermöglichen würde, lag in diesem Fall nicht vor. Jedoch findet nach Ansicht des Gerichts § 32 Abs. 1 S.1  BDSG Anwendung. Dort heißt es:

„Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über

[…] dessen Beendigung erforderlich ist.“

Die Beklagte verwendet die personenbezogenen Daten zur Missbrauchskontrolle. Dieses Interesse ist legitim, ferner ist es auch möglich durch die Verwertung der Daten einen Missbrauch festzustellen. Durch eine heimliche Verwertung von personenbezogenen Daten wird in der Regel der Grad des Freiheitseingriffes erhöht, dies fällt jedoch nicht ins Gewicht, da eine Erhebung der Daten unter Anwesenheit des Klägers schwer oder unmöglich zu gestalten ist. Vorschriften des TDG, TMG und TKG finden in diesem Fall keine Anwendung.

Ergebnis und Ausblick:

Im Arbeitsprozess kann die Auswertung des Browserverlaufs entweder durch Vertrag (Einwilligung) nach § 4 Abs. 1 BDSG oder bei Kündigungsabsicht nach § 32 Abs. 1 S.1 BDSG begründet werden. Es könnten jedoch Probleme bei der heimlichen Auswertung der personenbezogenen Daten, ohne vertragliche Regelung oder substanzielle Kündigungsabsicht entstehen. Die entscheidungserhebliche Frage der prozessualen Verwertbarkeit von in einem vom Arbeitnehmer genutzten Dienstrechner gespeicherten Daten über die Internetnutzung hat grundsätzliche und fallübergreifende Bedeutung, deshalb wurde vom LArbG Berlin-Brandenburg der Revision zum BAG stattgegeben.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016 – 5 Sa 657/15