Das Amtsgericht Marburg hat mit Urteil vom 08.02.2010 (Az. 91 C 981/09) entschieden, dass einem unrechtmäßig Gemahnten ein außerprozessualer Kostenerstattungsanspruch gem. § 823 Abs. 2 iVm §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 StGB zusteht.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger wurde durch den Rechtsanwalt Olaf Tank im Auftrage des Internetportals www.opendownload.de abgemahnt. Das AG Marburg beschäftigte sich nun mit dem Handeln der Internetseite Opendownload und des beauftragten Rechtsanwalts Olaf Tank. Es stellte fest, dass
die Aufmachung des Internetportals (…) und der Art und Weise wie der Interessent auf die dargebotenen Inhalte zugreifen kann, eine konkludente Täuschung (ist), um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. (…) Bei der Anpreisung der Produkte der Beklagten Opendownload liegt die Täuschungshandlung darin, dass sie auf das Vorstellungsbild des Kunden insoweit einwirkt, dass er bei ihr Programme herunterladen kann, die kostenfrei sind. (…) Der Kunde, der auf die Beschaffung des für sich gewünschten bzw. notwendigen Programms fokussiert ist, wird an anderer Stelle dazu gebracht, einen Abonnementvertrag über 24 Monate zum Preis von monatlich 8,- Euro abzuschließen, um den Vorgang des kostenlosen Herunterladens zu vollziehen. Dieses Beigeschäft ist für einen durchschnittlichen Internetnutzer so weit weg von seinem ursprünglichen Wunsch, auf den er fokussiert ist, so dass er den Abschluss des am Rand angepriesenen Beigeschäfts nicht sachgerecht realisiert bzw. realisieren kann. (…) sodass beim derartigen Vorgehen von einer sogenannten Abo-Falle gesprochen werden muss.
Weiter führt das Gericht hinsichtlich eines möglichen öffentlichen Interesses an diesem Fall aus:
Dass es sich bei dem Nutzungsverhalten des Klägers um keinen Einzelfall handelt, zeigt auch das in diesem Zusammenhang stehende öffentliche Interesse. So warnt beispielsweise das Bundesministerium der Justiz vor einschlägigen „Abonnementfallen“ im Internet (…). Der von Opendownload erregte Irrtum war darauf angelegt, auf Seiten des Klägers einen Vermögensschaden herbeizuführen. Da der Kläger jedoch mit Hilfe seines Rechtsanwalts bereits den Vermögensschaden abwenden konnte, ist allenfalls von einem Betrug im Versuchsstadium auszugehen.
Bezüglich der Tätigkeit des außerdem beklagten Rechtsanwalts Tank urteilt das Gericht:
Der Beklagte Tank musste als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege erkennen, dass er eine offensichtliche Nichtforderung für Opendownload geltend macht. Es kann ihm nicht verborgen geblieben sein, bei der Bearbeitung der Vielzahl von gleichartigen Fällen, dass Opendownload den potentiellen Kunden auf das kostenlose Herunterladen von Programmen fokussiert, um am Rand den auf weiteren Seiten unaufmerksamen Kunden in ein Abonnement mit zweifelhaftem Wert zu verstricken. Dass ein derartiges Vorgehen von der Rechtsordnung nicht erwünscht ist, hätte dem Anwalt offenkundig sein müssen.
Abschließend stellt das Gericht zusammenfassend fest:
Bei der Geltendmachung solcher Forderungen für Mandanten handelt es sich um Beihilfe zum versuchten Betrug, vgl. AG Karlsruhe 9 C 93/09. Die Belastung der Klägerseite mit Anwaltskosten, die durch die außergerichtliche Abwehr dieser Forderung entstanden sind, stellt einen adäquat kausal verursachten Schaden dar, den die Beklagten zu erstatten haben.
Kommentar: Der BGH sieht für denjenigen, der mit einer unberechtigten Forderungen konfrontiert wird und zu deren Abwehr einen eigenen Rechtsanwalt einschaltet, unter bestimmten Bedingungen einen Kostenerstattungsanspruch der dabei anfallenden Anwaltskosten vor. Voraussetzung ist entweder eine schuldhafte Vertragsverletzung oder ein Anspruch auf gesetzlicher Grundlage. Im vorliegenden Fall hat das Gericht auf einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch abgestellt.