Rechtsnormen: §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB; Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 GG

Mit Urteil vom 19.07.2012 (Az. 32 C 57/12) hat das Amtsgericht Hamburg entschieden, dass es sich bei der Aussage „Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau – und das weiß er auch“ im Kontext einer Berichterstattung um eine zulässige Meinungsäußerung handelt und somit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht unzulässig verletzt.

Zum Sachverhalt:

Ende 2008 erschien in einer von der Beklagten herausgegebenen Zeitschrift ein Artikel mit der Überschrift „…-Erschütterndes Interview“. Anlass war ein Interview des Klägers (Musikproduzent Dieter Bohlen) mit einer anderen Zeitung, in dem es u.a. um dessen Lebenskrisen ging. Im Rahmen des Artikels kommt auch ein ehemaliger Chorsänger Bohlens zu Wort, der sich über deren Zusammenarbeit äußerte. Hierzu heißt es in dem Artikel: „Als es ihm schlecht ging, rief er mich oft an und heulte sich bei mir aus. Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau – und das weiß er auch“. Der Kläger fühlt sich hierdurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, da ein privater Anruf und damit seine Privatsphäre tangiert werden. Überdies sei die Bezeichnung „Arme Sau“ eine unzulässige Schmähkritik. Demgegenüber vertritt die Beklagte die Ansicht, die angegriffene Äußerung sei deutlich als Zitat gekennzeichnet. Außerdem stelle sie eine Meinungsäußerung dar und tangiere nur die Sozialsphäre des Klägers.

Das Amtsgericht entschied nun zugunsten der Beklagten. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der streitgegenständlichen Aussage „Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau – und das weiß er auch“ im Kontext der Berichterstattung um eine zulässige Meinungsäußerung. Somit werde der Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Dem Kläger hat der (…) geltend gemachte Unterlassungsanspruch (…) nicht zugestanden.

Dies folgt indes nicht daraus, dass es sich bei der streitgegenständlichen Passage um ein Zitat handelt. Die Beklagte hat sich dieses nämlich zu eigen gemacht. (…) Vorliegend verhält es sich indes nicht so, dass die Darstellung des Herrn … von der Beklagten lediglich dokumentiert wird, ohne dass eine eigene Stellungnahme erkennbar wäre. Vielmehr wird durch den Beitrag … die Grundaussage des Artikels der Kläger stelle sich als stark dar, leide aber an „privaten Dramen“- untermauert. Das Zitat dient in diesem Sinne dazu, die vom Artikel insinuierte „dunkle, depressive Seite“ des Klägers zu belegen. Die Äußerung wird mithin so in den eigenen Gedankengang eingefügt, dass dadurch die eigene Aussage unterstrichen werden soll (vgl. etwa BVerfG NJW 2004, 590).

Indes verletzt die angegriffene Passage den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Bei der streitgegenständlichen Aussage „Er braucht es eben, im Zenit der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber im Grunde ist er eine arme Sau – und das weiß er auch“ handelt es sich im Kontext der Berichterstattung um eine zulässige Meinungsäußerung. Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn eine Äußerung nicht dem Beweise zugänglich ist, sich insbesondere nicht mit dem Kriterium „wahr oder unwahr“ messen lässt, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, also einen Vorgang oder Zustand an einem vorn Kritiker gewählten Maßstab misst (vgl. BVerfG NJW 1983, 1415). So verhält es sich hier. Der zitierte Musikerkollege des Klägers äußert sich hier erkennbar rein wertend über die Persönlichkeit des Klägers. Soweit der Kläger die Bezeichnung „arme Sau“ als Schmähkritik auffasst, vermag sich das Gericht dieser Auffassung nicht anzuschließen. Dies setzte voraus, dass es sich nicht um eine sachbezogene Äußerungen handelt, sondern vielmehr die Schmähung in den Vordergrund tritt, es sich also Äußerungen handelt, die den Angriff auf die Person bezwecken, ohne der sachbezogenen Kritik zu dienen. In diesen Fällen tritt der Schutz der Freiheit der Rede regelmäßig zurück (vgl. BVerfG, BVerfGE 82, 272). So verhält es sich hier indes nicht. Die Redewendung „Arme Sau“ bezeichnet umgangssprachlich einen bemitleidenswerten Menschen. Eine Vergleichbarkeit mit der Titulierung als „Schwein“ oder „Sau“ oder ähnlichen Formalbeleidigungen ist also nicht ohne weiteres gegeben. (…) Soweit in der streitgegenständlichen Passage des Inhalts eines privaten Telefonats wiedergegeben wird, liegt hierin nach Ansicht des Gerichts kein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre des Klägers. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend tatsächlich die Privatsphäre oder nur die Sozialsphäre tangiert ist. (…) Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, dass sich der Kläger in der Vergangenheit, gerade auch in dem die Berichterstattung der Beklagten auslösenden „Stern“-Interview, durchaus ausführlich zu seiner Gefühlslage und seiner „schwächeren Seite“ geäußert hat. Insofern gilt, dass derjenige, der sich in der Öffentlichkeit präsentiert, die Respektierung eines Geheimhaltungswillens, wie er im Hinblick auf private Gespräche bestehen mag, nur in geringerem Maße fordern kann als derjenige, der grundsätzlich gegen jede Veröffentlichung privater Aspekte seines Lebens vorgeht (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rn. 5.42). Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht als angebracht, bei der nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gebotenen Abwägung mit den Rechten der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang einzuräumen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Artikel sich durchaus nicht darauf beschränkt, lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen zu befriedigen (vgl. BGH NJW 2008, 1793, 1796), sondern mit der Darstellung der Diskrepanz zwischen medialer Selbstdarstellung und tatsächlichem Gemütszustand des Klägers durchaus einen Beitrag zur Meinungsbildung leistet.“