Rechtsnorm: § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG

Mit Urteil vom 25.05.2012 (Az. 32 C 157/12) hat das AG Frankfurt am Main entschieden, dass eine gegenseitige Überwachung der Ehepartner ihm Rahmen der Nutzung des auf einen Ehepartner zugelassenen Internetanschlusses unzumutbar ist. Eine Störerhaftung wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten kommt dann nicht Betracht, wenn der Anschlussinhaber glaubhaft versichert, nur er und sein Ehepartner hätten Zugriff auf den Anschluss.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte am Musikalbum „Große Freiheit“ der Gruppe „Unheilig“. Von der IP-Adresse der Beklagten wurde Mitte 2010 mittels der Filesharing-Software das streitgegenständliche Album öffentlich zugänglich gemacht. Bereits ein Jahr zuvor war über diesen Internetanschluss ein Album der Gruppe „Rosenstolz“ öffentlich zugänglich gemacht worden. In diesem Zusammenhang wurde die Beklagte abgemahnt und nahm die strafbewehrte Unterlassungserklärung an. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz iHv EUR 156,25 pro Einzeltitel.

Die Beklagte bestreitet die korrekte Zuordnung der IP-Adresse. Sie behauptet, außer ihr habe lediglich ihr Ehemann Zugriff auf ihren Internetzugang. Sie gibt an, ihren Mann angewiesen zu haben, keine Musik aus dem Internet herunterzuladen. Sie ist der Meinung, ihr könne nicht zugemutet werden, weitere Überwachungspflichten zu übernehmen. Im Übrigen ist sie der Ansicht, der Klägerin sei mit Blick auf die seinerzeit gültigen Tarife pro Einzeltitel nur ein sehr geringer Schaden entstanden.

Das Amtsgericht Frankfurt folgte nun der Argumentation der Beklagten, wonach ihr nicht zugemutet werden könne, ihren Mann zu überwachen, und wies die Klage ab.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Der Klägerin steht indes kein Anspruch aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG zu. Ob die Ermittlungen und Zuordnungen richtig waren bzw. ob darüber trotz der besonderen Umstände des Einzelfalles Beweis erhoben werden müsste, kann dahinstehen. Denn die tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für eine von diesem Anschluss aus begangene Rechtsverletzung verantwortlich ist, ist entkräftet. Hierzu genügt es, dass die ernsthafte Möglichkeit eines von der Lebenserfahrung abweichenden Geschehensablaufs feststeht. Hier ist unstreitig, dass der Ehemann der Beklagten ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss hatte. Es wird in der Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass das bloße Bestreiten der Täterschaft unter Hinweis auf die Zugangsmöglichkeit anderer dann unbeachtlich ist, wenn nicht gesagt wird, wer stattdessen die Rechtsverletzung begangen haben soll. Dies überzeugt nicht. Insoweit hat das Oberlandesgericht Hamm (MMR 2012, 40 f.) zu Recht ausgeführt:

„Denn mit seiner nach Erlass der einstweiligen Verfügung eingegangenen Widerspruchsschrift hat der Verfügungsbeklagte vorgetragen, dass außer ihm noch seine Frau und seine Schwiegereltern Zugang zu seinem WLAN-Anschluss hätten. Damit hat er seiner sekundären Darlegungslast für die ernsthafte Möglichkeit eines eine Täterschaft oder Teilnahme an der Urheberrechtsverletzung ausschließenden Geschehensablaufs genügt (vgl. OLG Köln a. a. O. Juris-Rn. 9), so dass es die der Verfügungsklägerin obliegende Glaubhaftmachungslast nunmehr erfordert hätte, diese plausible Möglichkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuräumen. Entsprechende Glaubhaftmachungsmittel hat sie nicht anzubieten vermocht. Entgegen den Ausführungen auf S. 3 Mitte der Beschwerdeschrift ist es aber auch nicht geboten, die sekundäre Darlegungslast in Fällen wie dem vorliegenden weiter zu verschärfen und insbesondere zu verlangen, dass der seine eigene Täterschaft oder Teilnahme bestreitende Anschlussinhaber Nachforschungen über die Täterschaft bei den seinen Anschluss mitbenutzenden Personen anstellt und das Ergebnis mitteilt. Denn für die Plausibilität der Möglichkeit, dass der Anschlussinhaber nicht Täter oder Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung war, macht es keinen entscheidenden Unterschied, ob er nur einen bestimmten Kreis von Personen benennt, die aufgrund ihrer Zugangsmöglichkeit zu dem WLAN-Anschluss die Rechtsverletzung abstrakt begangen haben könnten, oder ob er darüber hinaus all diese Personen konkret nach ihrer Tatbegehung befragt und das Ergebnis mitteilt. Auch wenn der Anschlussinhaber nämlich als Ergebnis mitteilen würde, dass alle befragten Personen eine Tatbegehung in Abrede gestellt hätten, würde dadurch das Bestreiten seiner eigenen Tatbegehung nicht unplausibel, weil die lebensnahe Möglichkeit bestünde, dass der wahre Täter die von ihm begangene Rechtsverletzung wegen der zu erwartenden Konsequenzen nicht zugegeben hat. Es geht der Verfügungsklägerin denn auch weniger um die Plausibilität des Bestreitens des Verfügungsbeklagten, als vielmehr um den Gesichtspunkt, dass ihr die Verfolgung von als Täter oder Teilnehmer begangenen Rechtsverletzungen erschwert sei. Das aber ist keine Frage der sekundären. Darlegungslast, sondern eine Folge der tatsächlichen und technischen Gegebenheiten.“

Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an.“

Hinsichtlich einer möglichen Störerhaftung aus Gründen eines Verstoßes gegen Verkehrssicherungspflichten führt das Gericht aus:

„Zwar hat die Klägerin bestritten, dass die Beklagte ihren Anschluss ordnungsgemäß verschlüsselt hat. Jedoch hat die Klägerin insbesondere in ihrem letzten Schriftsatz nicht dezidiert die Behauptung aufgestellt, ein unbekannter Dritter habe den Anschluss missbraucht. Vielmehr haben sich die Parteien im Folgenden ausschließlich damit beschäftigt, was gelten würde, wenn der Ehemann der Beklagten die Rechtsverletzung begangen hätte. In Bezug auf ihn trifft die Beklagte allerdings keine Verkehrssicherungspflicht. Vor dem Hintergrund des gesetzlich geregelten Verhältnisses zwischen Ehegatten ist eine solche gegenseitige Überwachung jedenfalls unzumutbar.“