Die EU macht es (un)möglich: Ein Müslihersteller darf für sein kohlenhydratreduziertes Müsli nicht damit werben, dass es sich um ein „LowCarb“-Müsli handele „mit wenig Kohlenhydraten“. Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass diese Werbung zulässig ist, wenn sie der Wahrheit entspricht. Wenn also das Müsli weniger Kohlenhydrate enthält als ein durchschnittliches Müsli, ist zumindest die Angabe „mit wenig Kohlenhydraten“ richtig. Bei „LowCarb“ gibt es allerdings keine festen Grundsätze dazu, wann ein Produkt als „LowCarb“ anzusehen wäre.

In diese Richtung hat auch das Landgericht Hamburg argumentiert und den Erlass einer einstweiligen Verfügung eines Mitbewerbers gegen diese Werbeaussagen zum Proteinmüsli abgelehnt. Anders nun das Oberlandesgericht Hamburg, das als Spezialgericht für Fragen des Arzneimittelrechts und für Nahrungsergänzungsmittel bekannt ist. Ein Argument des OLG Hamburg: „gering“ ist nicht das Gleiche wie „geringer“. Hier spielt nämlich die sogenannte Health-Claims-Verordnung (HCV) eine Rolle. Die Angaben seien nährwertbezogene im Sinne der HCV. Dabei hat das Gericht in eigener Sachkunde angenommen, dass mit dem Müsli lediglich ein geringer Kohlenhydratgehalt des Produkts versprochen wird und nicht ein geringerer. Zum Problem wird diese Angabe, weil in der Werbung nicht angegeben war, wie groß der Unterschied in der Kohlenhydratmenge im Vergleich zu Lebensmitteln derselben Kategorie und in Bezug auf dieselbe Menge ist. Es handelt sich vielmehr um eine Angabe ohne unmittelbar vergleichenden Charakter. Auch solche Angaben sind im Anhang zur HCV vorhanden, allerdings nicht in Bezug auf Kohlenhydrate. Es finden sich vielmehr solche Angaben wie „fettarm“, „natriumarm“, „arm an gesättigten Fettsäuren“. „Mit wenig Kohlenhydraten“ fehlt dort.

Warum der europäische Verordnungsgeber nicht auch „kohlenhydratarm“ als zulässige allgemeine vergleichende Angabe zulässt, darüber kann man spekulieren. Aus gesundheitlicher Sicht wäre es sicherlich genauso wichtig, dass Produkte als kohlenhydratarm oder „LowCarb“ beworben werden dürfen, wenn diese tatsächlich weniger Kohlenhydrate enthalten als vergleichbare Produkte der gleichen Gruppe.

Nun gab es einen Ausweg, den das OLG aber nicht gegangen ist. Dieser Anhang zur HCV eröffnet sogar solchen Angaben die Zulässigkeit, die für den Verbraucher „voraussichtlich dieselbe Bedeutung“ haben. Das Gericht meint allerdings, dass die Liste der in der Anlage genannten Nährstoffe abschließend ist. Das Problem ist, dass der europäische Gesetzgeber keine Grenzwerte für Kohlenhydrate angegeben hat, die eine allgemeine Angabe „reduzierter Kohlenhydratanteil“ erlauben würde.

Interessant sind die Ausführungen des OLG Hamburg am Ende der Entscheidung. So lässt es erkennen, dass es durchaus die Möglichkeit gibt, mit dem Begriff „LowCarb“ zu werben, wenn dies in einer Weise geschieht, dass der Unterschied in der Menge des Nährstoffs (Kohlenhydrate) im Vergleich zu anderen Lebensmitteln derselben Kategorie angegeben wird (Artikel 9 Abs. 1 Satz 2 HCV).

Anders aber bei der Angabe „mit wenig Kohlenhydraten“.

Ob man es glaubt oder nicht, aus rechtlichen Gründen ist der Hinweis „mit wenig Kohlenhydraten“ in jedem Fall unzulässig!

 

Praxishinweis:

Auch bei auf den ersten Blick völlig unproblematisch wirkenden nährwertbezogenen Angaben kann das Wettbewerbsrecht zuschlagen. Denn die Verwendung von nach der HCV unzulässigen Angaben stellt einen Wettbewerbsverstoß gem. § 4 Nr. 11 UWG dar, der zu Abmahnungen von Mitbewerbern führen kann. Der gesunde Menschenverstand, aber auch allgemeine Grundsätze des Wettbewerbsrechts werden auf den Kopf gestellt. Der europäische Verordnungsgeber ist für eine Korrektur gefragt.

OLG Hamburg, Beschluss vom 24.04.2014, Aktenzeichen 3 W 27/14