Warum Widerruf von Lebensversicherungen?

Warum stellt sich die Frage des Widerrufs von Lebensversicherungen? Es besteht ja auch die Möglichkeit einer Kündigung. Bei einer Kündigung ist es jedoch so, dass der Kunde, also der Versicherungsnehmer, den lediglich Rückkaufswert erhält. Die Gewinnmarge, die der Versicherer durch das Kapital des Versicherungsnehmers erhalten hat, bleibt beim Unternehmen. Anders sieht es jedoch aus, wenn eine Lebensversicherung widerrufen wird bzw. ein Widerspruch erhoben wird. Dies betrifft Lebensversicherungen aus der Zeit von 1994-2007. Diese zeitliche Eingrenzung hat damit zu tun, dass der Versicherer nach § 5‍a VVG zum 31. 12. 2007 eine Widerspruchsbelehrung erteilen musste. Ab dem 01.01.2008 galt Gehalt ein reformiertes VVG, bei dem der frühere § 5 VVG abgeschafft war. Dieser Paragraf spielte bei den grundlegenden Gerichtsentscheidungen zur Frage des Widerrufs von Lebensversicherungen eine entscheidende Rolle. Er sah nämlich vor, dass ein Widerrufsrecht ein Jahr, nachdem die 1. Versicherungsprämie gezahlt worden war, endet. Dies gilt unabhängig davon, ob überhaupt oder ordnungsgemäß belehrt worden war. Belehrung Mängel wurden daher geheilt.

Grundsatzurteil Urteil des EuGH

Der EuGH hat diese Vorschrift für Europa rechtswidrig angesehen im Zusammenhang mit Lebensversicherungen. Diese Rechtsprechung des EuGH wurde inzwischen von vielen BGH Entscheidungen bestätigt. Auch die Oberlandesgerichte urteilen entsprechend.

Keine Verwirkung oder Verstoß gegen Treu und Glauben

während im Bereich des Widerrufsrechts von Darlehensverträgen ausgiebig darüber gestritten wird, ob dieses verwirkt werden kann oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, gelten beim Widerruf von Lebensversicherung andere Grundsätze. Der EuGH hat insoweit festgestellt, dass Zahlung von Prämien führt nicht dazu, dass auf das Widerrufsrecht verzichtet wurde. Der Versicherungsnehmer ist aufgrund der fehlenden oder fehlerhaften Belehrung im Unklaren über sein Rücktrittsrecht. Daher kann das Rücktrittsrecht wieder verjährt noch verwirkt, da er überhaupt keine Kenntnis von diesem Recht hatte.

Dieser Grundsatz führt sogar soweit, dass selbst bei einem bereits vor längerer Zeit gekündigten Lebensversicherungsvertrag immer noch ein Widerruf möglich ist, wenn ich ordnungsgemäß belehrt worden war. Dann können sich entsprechende Nachforderung ergeben, die nicht verjährt oder verwirkt sind.

Vorteile nach Widerruf

Bei einem Widerruf erhält der Versicherungsnehmer die eingezahlten Prämien zurück. Außerdem hat er noch Anspruch auf die so genannten Nutzungen, also Zinsen auf diese Prämien. Verwaltungs- und Abschlusskosten darf das Versicherungsunternehmen in Abzug bringen. Gleiches gilt für den Fall, dass auch ein Risiko Versicherungsschutz gewährt worden ist. Dafür darf ebenfalls ein Abzug vorgenommen werden.

Die Frage ist nun, wie diese Nutzungen/Zinsen berechnet werden. Beim Widerruf von Darlehen hat der BGH den Grundsatz aufgestellt, dass es eine Vermutung, wonach bei Grundschuld rechtlich gesicherten Darlehen eine Verzinsung von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszins gilt, bei sonstigen Darlehen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins. Leider gilt diese Vermutung bei Versicherungsverträgen nicht. Das bedeutet, dass er Versicherungsnehmer die Zinsen konkret bezogen auf den jeweiligen Lebensversicherer ausrechnen muss. Er muss sich also mit der Rendite dieses Unternehmens konkret auseinandersetzen. Es liegt auf der Hand, dass damit erhebliche tatsächliche Schwierigkeiten verbunden sind. Dieses Problem kann jedoch durch Hinzuziehung entsprechender Sachverständigen oder darauf spezialisierter Unternehmen gelöst werden.

Bevor ein Widerruf ausgesprochen wird, sollte man das Szenario durchrechnen. Denn ein Widerruf kann nicht wieder rückgängig gemacht werden.

EuGH, Urteil vom 19.12.2013 (C-209/12)

BGH, Urteil vom 7.5.2014 – IV ZR 76/11

Die Anwaltskanzlei Dr. Graf berät Versicherungsnehmer beim Widerruf von Lebensversicherungen.

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